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Dorine Mignot
»Statements zu Gerry Schum«

Auszug]

[...] Im Hinblick auf Zitate aus Schums Einführung zu »Land Art« wurden einige der an dem Projekt beteiligten Künstler gebeten, zu verschiedenen Fragen Stellung zu nehmen; die folgenden Statements stellen eine Auswahl ihrer Antworten dar, die zum Teil mündlich, zum Teil schriftlich gegeben wurden.


Die Arbeiten werden speziell für das Medium Fernsehen konzipiert und realisiert.
Verstehen Sie Ihr Werk in erster Linie als eine Form der Dokumentation oder als eigenständige künstlerische Arbeit?


Arnatt
»Self–Burial« war für mich eine völlig eigenständige künstlerische Arbeit, die innerhalb des Mediums Fernsehen realisiert werden mußte. Die Idee, Fotos auf diese Art und Weise zu verwenden, kam mir einige Zeit, nachdem die Sequenz zum ersten Mal gedreht worden war. Ursprünglich war es als Kommentar zu der Idee vom »Verschwinden des Kunstwerks« gedacht. Das Verschwinden des Künstlers selbst schien eine logische Folge zu sein.

Dibbets
Als eigenständiges Kunstwerk.

Flanagan
Als eigenständiges Kunstwerk.

Long
Der Film an sich ist das Werk.

Ruthenbeck
Die Ausgangsidee war Information/Dokumentation; erst nach der Realisierung des Werks ist mir der eigenständige Charakter des Films klargeworden.

Serra
Nur als eigenständiges Kunstwerk.

Walther
Als eigenständige Arbeit.

Weiner
Für mich sind Filme und Videobänder genau das: Filme und Videobänder.

Zorio
Als eine Demonstration eines Objekts.



Haben Sie das Verlangen verspürt, die Beziehung Atelier – Galerie – Sammler aufzubrechen?

Arnatt
Mir ging es gar nicht so sehr darum, diese Beziehung aufzubrechen, ich wollte einfach nur das Fernsehen als Medium nutzen.

Beuys
Es ist extrem wichtig, diese Beziehung aufzubrechen und ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Mit seiner »Fernsehgalerie« hat Schum einen großen Schritt in die richtige Richtung getan. Sein Konzept war klar. Und er hat dieses Konzept auch in reiner Form umgesetzt; das Kunstwerk selbst wurde direkt im Fernsehen gesendet.

Buren
Ich denke, es ist jetzt, im Jahre 1979, immer noch äußerst interessant, ja sogar von größter Wichtigkeit, diese Beziehung aufzubrechen, wann immer es möglich ist. Aber im Gegensatz zu Gerry glaube ich nicht, daß der Einsatz von Video die Beziehung aufgebrochen hat. Ich glaube vielmehr, daß es der Festigung dieses Beziehungsdreiecks zu verdanken ist, daß heute noch mit Video gearbeitet wird. Und an dieser Situation wird sich nichts ändern, bis alle Museen als Verleihe von Videoarbeiten fungieren (etwa nach dem gleichen Prinzip wie öffentliche Leihbüchereien).
Es ist durchaus vorstellbar, daß Videoarbeiten von Künstlern künftig in allen Ländern regulärer Bestandteil des Fernsehprogramms sein werden.
Wenn dieser Punkt erreicht ist, wird die Beziehung nicht mehr bestehen.

Dibbets
Teilzuhaben heißt aufzubrechen.

Flanagan
Ja.

Ruthenbeck
Es stimmt, daß unter Künstlern heute wie damals große Unzufriedenheit herrscht, was diese Beziehung angeht. Sie existiert durch den Künstler und sein Werk. Den beiden anderen Eckpunkten wird oft mehr Bedeutung zugemessen als dem Atelier.

Serra
Mich langweilt die ewige Diskussion über diese Beziehung. Meine Arbeit definiert sich unter anderem auch über die Unmöglichkeit, Widersprüche auszuschließen, ob intern oder extern. Die Auseinandersetzung mit Widersprüchen, Entscheidungen im jeweiligen Zusammenhang zu treffen, beeinflußt den inhaltlichen Charakter meiner Arbeit.

Walther
Ich habe mir damals keine großen Gedanken über kommerzielle und offizielle Kunstsysteme gemacht, denn mit dem, was ich tat, hatten sie wenig zu tun. Für meine Arbeit war darin ganz offensichtlich kein Platz. Mittlerweile hat sich das geändert.

Weiner
Man kann die Beziehung kritisieren oder feiern. Schum versuchte im Grunde gar nicht, aus irgendwelchen festgefahrenen Strukturen auszubrechen. Der Fernsehsender fungierte als Ersatz für die Museumsstruktur.


Die Fernsehgalerie ist aus der Idee entstanden, ein möglichst breites Publikum mit zeitgenössischen Trends in der internationalen Entwicklung der Kunst zu konfrontieren. Streben Sie immer noch nach diesem Ideal?

Arnatt
Mir ging es nicht darum, ein breiteres Publikum zu erreichen, obwohl ich dieser Idee nicht ablehnend gegenüberstehe.

Buren
Die Schaffung der »Fernsehgalerie« war ein weiterer Beweis dafür, daß diese Art von Galerie ohnehin nur die Leute ansprach, bei denen bereits Interesse an den jüngsten Manifestationen visueller Kunst bestand.

Dibbets
Das war – leider – lediglich Schums Optimismus.

De Maria
Schum war einer der ersten, die das enorme Potential des Fernsehens erkannten. Die Zeit, die die Leute vor dem Fernseher zubringen, ist umgekehrt proportional zu der Zeit, die sie mit dem Lesen der Zeitung oder eines Buchs verbringen. Es ist höchste Zeit, daß Künstler Sendezeit bekommen, daß sie das Fernsehen verstärkt als Medium nutzen. Wir stehen immer noch am Anfang. Schum hätte seine Angelegenheiten in finanzieller Hinsicht nur besser organisieren sollen.

Ruthenbeck
Mich hat das nicht interessiert.

Serra
Kunst eignet sich nicht für Massenkommunikation, es sei denn, sie wird speziell dafür geschaffen (wie in »Television Delivers People«).

Walther
Ich fand diese Idee wichtig, obwohl ich nicht geglaubt habe, daß diese Konfrontation irgend etwas ändern würde.

Weiner
Ich war damals und bin auch heute noch der Meinung, daß die Nutzung offener (öffentlicher) Medien für die Präsentation von Künstlerarbeiten nicht nur im Verantwortungsbereich von Künstlern und Medien liegt, sondern auch in dem der Öffentlichkeit.


Warum haben Sie bei Gerry Schums »Fernsehgalerie« mitgemacht?

Arnatt
Ich wollte das Fernsehen als Medium nutzen.

Buren
Ich habe das Angebot, mit Gerry zu arbeiten, angenommen, weil er nicht nur jedem, mit dem er zusammenarbeitete, unschätzbare technische Unterstützung zukommen ließ, sondern auch einen ausgeprägten Sinn für den Zeitgeist, d.h., für alles Aktuelle, besaß, und weil er stets bereit war, sich Vorschläge und Ideen anzuhören, auch wenn diese völlig utopisch waren (...).
Ein weiterer Grund war das Verlangen, mit einem neuen und in vieler Hinsicht faszinierenden – in erster Linie visuellen – Medium experimentieren und arbeiten zu können und nicht so sehr der Wunsch, außerhalb des bestehenden Kunstsystems zu operieren.

Dibbets
Wegen der Integrität von Schums Ideen.

Flanagan
Weil es für einige Ideen besser geeignet schien.

Long
Ich habe mich über die Gelegenheit gefreut, ein Werk in einem für mich neuen Medium (Film) zu konzipieren, was meinen damaligen Moorwanderungen neuen Ausdruck verlieh.

Ruthenbeck
Mich hat das neue Medium interessiert.

Serra
Gerry war besessen von einer idealistischen Vision, die auch die Quelle seiner extrem positiven Energie war. Er fragte mich, ob ich mitmachen würde, und da es mich interessierte und er die Produktionsmöglichkeiten besaß, dachte ich, daß daraus etwas werden könnte. Wie sich herausstellte, war diese Zusammenarbeit für uns beide von Vorteil.

Walther
Weil die Idee einer »Fernsehgalerie« so klar auf der Hand lag.

Weiner
Gerry bot Produktionsmöglichkeiten und eine vernünftige Struktur.

Boezem
Die Welt als »Negativ« des Kunstwerks.
Was mich in den 60er Jahre dazu bewegte, neben anderen Medien auch das Fernsehen einzusetzen, war die Gelegenheit, mit einem neuen Kontext für meine Arbeit experimentieren zu können. Die »Umgebung« oder der Kontext, in dem Kunst zu wahrer Kunst wird, hat mich als Künstler stets interessiert.
Für meine Arbeit ist Reflexion bzw. die Interaktion zwischen dem Kunstwerk und seinem Kontext von größter Bedeutung. Rückblickend kann ich heute sagen, daß diese Komponente des Kunstwerks in den Arbeiten vieler Künstler dieser Zeit eine Rolle gespielt hat; dies gilt besonders für die Künstler, deren Arbeiten als »Konzeptkunst« bezeichnet wurden. Es ging dabei weniger darum, eine andere Art von Kunst zu schaffen, als darum, auf einen neuen Raum abzuzielen, auf die Massen, auf die Gesellschaft. Wir machten uns alle damals relevanten Medien zunutze: Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Ton, Film, Telex etc. Dennoch war uns die Idee größerer gesellschaftlicher Verantwortung nicht so wichtig wie die Suche nach neuen Räumen. Folglich habe ich bereitwillig zugesagt, als Gerry Schum mich fragte, ob ich etwas zu seinem Film »Land Art« 1969 beitragen wollte. Ich war von der völlig neuartigen Reichweite dieser Art von Kunst beeindruckt.

Fulton
Gerry Schum stand für alternative Möglichkeiten, zeitgenössische Kunst zu schaffen und einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, und daher war sein Tod ein großer Verlust. Jede Erweiterung der Möglichkeiten hinsichtlich der Beziehung Atelier – Galerie – Sammler kann nur positiv sein. Die Schaffung brauchbarer Alternativen ist von größter Bedeutung, heute vielleicht in größerem Maße als zu der Zeit, in der Schum seine Arbeit mit dem Fernsehen begann.

Kuehn
Ich habe mich schon immer darauf konzentriert, Objekte zu schaffen. Die Art und Weise, wie meine Werke vertrieben werden, ist mir nicht so wichtig. Darüber hinaus hatte ich nicht das geringste Interesse an den politischen und ethischen Implikationen der Verbindung Atelier – Galerie – Sammler, die in den frühen Siebzigern von einigen Künstlern für gewisse Zeit zum Thema ihrer Arbeit erhoben wurde. Meine Arbeit mit Gerry Schum für »Identifications« stand in engem Zusammenhang mit meinen damaligen Zeichnungen.
Gerry bot mir an, einen Beitrag für »Identifications« zu machen, und nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht hatte, wuchs mein Interesse für das Video als Mittel zur Enthüllung der Prozesse, die beim Erstellen dieser spezifischen Zeichnungen abliefen, sowie für die Verdeutlichung meiner Intention durch Video. Sobald wir mit der Arbeit begonnen hatten, gewann das Medium Video natürlich deutlich die Oberhand, und ich bemerkte, daß mein ursprüngliches Vorhaben angesichts der Möglichkeiten des Mediums in den Hintergrund trat und meine Arbeit innerhalb des Mediums zum Selbstzweck wurde.



Quelle: Dorine Mignot (Hrsg.), Gerry Schum, Stedelijk Museum, Amsterdam 1979, S. 75-76