New (literary) economy?

Neue Medien, neue Literatur im Word Wide Web                  von Niels Werber

Der Neue Markt existiert nicht mehr, die Analysten schätzten seit geraumer Zeit nur noch das Tempo, mit der manche Firmen ihr Geld verbrannten. In einem soeben erschienenen Buch über Cyberhypes wird die Hypertextliteratur zu einem „toten Seitenstrang der medialen Evolution“ erklärt.[1] Die New Economy gilt den Autoren dieses Bandes ebenso als Hype von gestern (vgl. S. 212f) wie die Internet-Literatur, die manchem, der uns vor ein paar Jahren noch ins wunderbare Cyberland[2] der Zukunft verschicken wollte, nun als Texte mit „Bild-und-Ton-Schnickschnack“ vorkommt.[3] Es scheint, als könnte man sich nun, wo der Hype vorbei ist, an einen Rückblick machen.

Vor nicht einmal vier Jahren heuerten Dot.com-Firmen sogar Autoren an, die für ihre Websites die Literatur des neuen Zeitalters schreiben sollten: Internetliteratur. Auch so sollte content gewonnen werden, der geeignet wäre, eine gewisse Klientel an eine bestimmte Site zu binden und jene hit rates zu erzeugen, die sich die Dot.com-Firmen dann von der Werbeindustrie vergolden lassen wollten. Insofern die neue „digitale“ Literatur[4] in einer bestimmten ökologischen Nische entstanden ist,[5] die sie benötigt wie Fische das Wasser, könnte man mit Blick auf die neue Literatur der Netze behaupten, ihre evolutionären Voraussetzungen lägen nicht nur in den neuen technischen Gegebenheiten auf dem Level von Hardware, Software und Vernetzung, sondern ebensosehr in der sogenannten New Economy. Ohne die zahlreichen Internet-Literatur-Wettbewerbe oder Plattformen, gesponsert von Firmen wie T-Online oder von Zeitungen und Verlagen, die mit aller Macht und viel Geld ins Internet strebten, hätte es viele der bekanntesten Beispiele digitaler Literatur vermutlich nie gegeben.

Auch die literatur- und kulturwissenschaftliche Aufmerksamkeit, die die Internet- oder WEB-Literatur in den letzten Jahren genossen hat, hat etwas mit dem Aufstieg und Fall der New Economy gemein: den Modus des Prognostischen und den Gestus der Auflösung. In beiden Fällen: Literatur wie Wirtschaft schien man von einer neuen Technologie entscheidende Impulse für die künftige Evolution eines Sozialsystems erwartet zu haben. Wenn Jeremy Rifkin in „The Age of Access“ das Ende von Eigentum und Kapitalismus, Knappheit und Entfremdung verspricht oder Kevin Kline „The end of controll“ in unhierarchischen, lateralen Netzwerken verkündet, dann fallen damit die gleichen Schlagworte, die seit den 1990er Jahren in der Literatur- und Medienwissenschaft benutzt werden, um die Zukunft der Literatur im Netz zu beschreiben. So prophezeite etwa Norbert Bolz in „Am Ende der Gutenberg-Galaxis“ aus dem Jahr 1993, die Asymmetrie und Distanz zwischen Produzent und Rezipienten würden elektronisch im aufkommenden multimedialen Hypertext liquidiert: „Erstmals sind die technischen Behelfe bereitgestellt, um die alte Utopie zu implementieren: die Differenz zwischen Autor und Leser einzuziehen.“ Insbesondere erwartet man vom Internet auch für die „Künste“ eine Befreiung von Marktzwängen und vom Copyright sowie eine Demokratisierung und Enthierarchisierung. „Identität, Urheberrecht und Profit“ seien nun „egal“.[6] Ein Aufsatz über die Zukunft der Künste im Internet endet mit dem Aufruf: „logg Dich ein und nimm teil!“ (S. 318)[7] Der Aufruf war fraglos tauglich für jedes Werbebanner der guten alten Dot.Com-Epoche. Derartige ästhetische Programme treffen sich auch mit dem „Cyberkommunismus“ (Richard Barbrook) amerikanischer Prägung: das heißt mit den Formeln der Kalifornischen Ideologie der New Economy.[8] Um nur eine dieser Formeln zu zitieren: „Innerhalb des Netzes fördert der Aufschwung der Produktivkräfte eine fortgeschrittenere Form der Arbeit: Arbeit als Geschenk.“[9] Der Unterschied zwischen Produzenten und Konsumenten werde „im Netz“ genauso hinfällig wie der zwischen Autoren und Rezipienten. Rudolf Maresch und Florian Rötzer haben in ihrem Sammelband Cyberhypes das Grassieren derartiger Erwartungen und Prophezeiungen als „publizistisches Fieber“ diagnostiziert (S. 25), wohl mit Recht. Das Platzen einiger Blasen in jüngster Zeit hat es kuriert.

Was die von Literatur- und Medienwissenschaftlern in den 90ern entworfene Semantik der Neuen Medien und die von Zeitschriften wie Wired oder Red Herring, von Analysten und Gurus zur selben Zeit generierte Semantik der New Economy sicherlich gemein haben, ist der Gestus der Verkündung. Ihr Tempus ist der Futur. Es wird so sein. Literatur wird bald im Kollektiv von Usern erzeugt werden, die im Cyberspace zwanglos und gewaltfrei kooperieren,[10] wenn nur erst die Datenautobahnen schnell genug, Bildschirmauflösung und Soundsystem überzeugend sind und jedermann Access hat. „Logg Dich ein und mach mit!“ Ein paar Jahre noch, dann werde bei dem ungeheuren Tempo technologischer Evolution der Zeitpunkt gekommen sein, an dem „Poesie von allen gemacht“ wird (Heiko Idensen). „Die Entwicklung des Internet“ sei schneller als jeder Versuch, es zu beobachten und zu beschreiben,[11] weshalb alle Reflexion entweder prognostisch sein muß oder notorisch obsolet. Diesen mithin unvermeidlichen Gestus des Advents kennt man aus der Selbstbeschreibungssemantik der New Economy sehr gut: Bald, wenn nur erst alle vernetzt, die Bandbreite größer und der Zugang zum Web fast umsonst sei, werde sich die eine oder andere Vision oder Philosophie durchsetzen, weil dann eben eine genügende Zahl von Nutzern die Gewinne sprudeln lassen würden. Die Realität hat diese Zukunft längst eingeholt – und niemand verkündet heute noch auf der Frankfurter Buchmesse das Ende des Buches und den Aufgang der Internet-Literatur; und niemand schmeißt auf dem Frankfurter Parkett sein Geld noch in den Rachen jener adventure capital Firmen, die Unternehmen finanzierten, deren Geschäftsideen buchstäblich utopisch waren. Die feste Überzeugung, daß sich eine „Utopie“ technische „implementieren“ lassen werde, wie Bolz vor 10 Jahren versprach (S. 223), befeuerte auch die New Economy. Bill Gates, dessen Buch The Road Ahead 1995 in einer Parallelaktion mit dem neuen Browser Microsoft Explorer auf den Markt geworfen wurde, versprach uns damals eine „neue Wirtschaftswelt“: „einen Kapitalismus mit geringer Reibung und niedrigen Gemeinkosten, mit einem überraschenden Angebot an Marktinformationen und bescheidenen Transaktionskosten“, ja ein „Paradies für Konsumenten“ – wenn nur erst „jeder mit dem Highway verbunden“ sein wird.[12] Dies werde aber mit Sicherheit der Fall sein, denn „der technische Fortschritt“, so Gates, sei unaufhaltsam (S. 228, 333f). Frankfurt ist die „Internet-Hauptstadt Deutschlands“, 61 % ihrer Bewohner sind online (FAZ vom 30. 6. 3003), doch vom „Paradies“ des friction free capitalism sind wir auch hier noch weit entfernt. Noch ein paar Jahre, würde Gates hier anmerken, dann wird es soweit sein. Auch er ist Adventist.

Literatur als Textkunst

Die Verkündigung des Neuen ging einher mit Schwanengesängen. Überall wurde vor 10 Jahren „Abschied“ vom Buch genommen und zum Abschied von der Literatur ausgeweitet.[13] Der Autor und Professor für electronic writing Robert Coover hatte 1992 in der New York Times Book Review aufsehenerregend „The End of Books“ verkündet, um dann im selben Organ im Jahre 2000 die vielen Unwissenden darüber zu belehren, daß das „Goldene Zeitalter“ der digitalen Literatur nun endgültig vorbei sei.[14] 1998 wurde auf der Frankfurter Buchmesse das erste e-book vorgestellt, Anfang Juni erschien in der FAZ (4. 6. 2003) ein Nachruf auf dieses Neue Medium.

Nach dem Ende einer Epoche der Hypes könnte nun also in aller Ruhe gefragt werden, was für Folgen die digitale Revolution für die schöne Literatur zeitigen könnte. Bevor ich diese Frage nach dem Netz als Medium der Literatur stellen kann, muß zumindest angedeutet werden, welchen Begriff von Literatur ich meinem Versuch einer Antwort unterlegen werde. Literatur möchte ich im folgenden mit Niklas Luhmann als Textkunst verstehen.[15] Ich möchte mit diesem Begriff der Textkunst betonen, daß es sich dabei um Kunst handelt, um Kunst, die ihre Formen der Sprache einprägt – also zunächst unabhängig davon, ob die Werke, die daraus hervorgehen, schriftlich fixiert sind oder nicht, ob sie als gesprochene Ereignisse mit dem Hauch der Stimme wieder vergehen oder ob sie mit technischen Mitteln dauerhaft gespeichert werden. Wenn ich von Literatur als Textkunst spreche, geht es mir darum, dieses Medium der Kunst von anderen Nutzungsformen desselben Mediums, eben des Mediums der Schrift (oder gelegentlich auch der Sprache)[16] zu unterscheiden: Denn zwar ist wohl fast alles, was geschrieben steht, ein Text, aber längst nicht alles, was wir lesen, gilt als Kunst. Also nur dann, wenn Schrift oder Sprache zum Medium der Kunst werden, haben wir es mit Literatur zu tun.

Ein Medium macht bekanntlich noch keine Kunst, erst seine Form. Die Kunst prägt ihren Medien ihre Formen ein, dies muß betont werden, denn es gibt unzählige andere Möglichkeiten, aus Wörtern Sätze zu bilden, aus Farben Bilder oder aus Schnippseln und Abfällen Collagen zu gestalten. Dies ist noch nichts Kunst- oder Literaturspezifisches, denn jede Kommunikation selektiert aus einem Medium, um das Angebot an Elementen des Mediums durch eine limitierte Auswahl und Reihenfolge miteinander zu verbinden. Form verbindet die gewählten Elemente eines Mediums so miteinander, daß erst in dieser Kopplung Form und Medium gleichermaßen sichtbar werden. Denn wir beobachten weder ungeformte Medien noch pure Formen; was wir als Kunstwerk wahrnehmen, ist immer geformt, nie nehmen wir die Farbe, den Ton, den Laut, den Raum an sich wahr; zugleich macht erst und nur die Form auf ihr Medium aufmerksam, denn erst am geformten Medium fällt ins Auge, daß das Medium auch andere Formen zuließe, das Gelb nicht im Kontrast zu Grün, sondern zu Schwarz; Effi könnte auch Emma, der Knabe ein Buab und der Samstag Sonnabend heißen.

Das Medium als Medium für Formen ist also nicht mit dem Material zu verwechseln, daß man sich ungeformt solange anschauen könnte, bis es der Künstler verwendet. Medien sind also weder Farben in Tuben noch Worte im Thesaurus, die ein eigenes Leben vor der Form führten, dann aber ausgewählt und arrangiert würden. Medien verstehen wir vielmehr als Möglichkeitsfeld der Form, als ihr Selektionshorizont. Diese Begriffsverwendung hat zwei Vorteile: zum ersten macht er auf die Kontingenz jeder Form aufmerksam, welche zumindest die Formen der Kunst mit ihrem Anschein von Notwendigkeit zu verleugnen suchen; wenn aber Form als die Restriktion von Möglichkeiten des Mediums verstanden wird, dann weiß man, daß es auch anders gegangen wäre. Das Werk muß also versuchen, uns in der Form, die es hat, zu überzeugen, das heißt: es muß konkurrieren gegen alle anderen, nicht aktualisierten Formen des Mediums. Zum zweiten ist das Begriffspaar Medium und Form dynamisch aufeinander bezogen. Jede Form kann wiederum das Medium einer weiteren Form werden. Marshall McLuhan hat diese Einsicht schon 1964 in seiner These ausgedrückt, daß „der »Inhalt« eines Mediums immer ein anderes Medium ist. Der Inhalt der Schrift ist Sprache, genauso wie das geschriebene Wort Inhalt des Buchdrucks ist und der Druck wieder Inhalt des Telegrafen.“[17] Genauso kann die Form des Bildungs- oder Kriminalromans zum Medium von Hollywood-Filmen werden, die Form des Stabreims zum Medium der Werbung oder die Form eines Universitätsskandals zum Medium einer College-Novel.

Ob wir also mit einem Stock Figuren in den Sand malen oder Farbbeutel an Häuserwände werfen, ob wir nun Stoffe zu Kleidern verarbeiten, mit einem Auto über Leinwände fahren oder einen Garten anlegen: Form ist in allen diesen Fällen nichts anderes als das konkrete Ergebnis einer Selektion aus einem Möglichkeitshorizont – es steht ein Pool von Operationen und Möglichkeiten zur Verfügung, verschiedene Farben, Töne oder auch Worte, aus dem aber immer nur Bestimmtes ausgewählt werden kann. Form heißt also immer: Verzicht auf Möglichkeiten, Reduktion von Komplexität oder auch, mit einer altmodischen Formulierung, das Besondere eines Allgemeinen. Ich möchte schon hier darauf hinweisen, daß man sich gerade von der Internetliteratur versprochen hat, daß sie den Überschuß an Möglichkeiten nicht zugunsten bestimmter Formentscheidungen abbaut, sondern diesen Überschuß in Form von Links im Text selbst präsent hält. Dekonstruktivistische Textkonzepte würden so gleichsam technisch implementiert. Bisher blieb der von der Form nicht aktualisierte Sinn eines Textes latent oder virtuell – und mußte von der Dekonstruktion aufgerufen werden.

Welche Möglichkeiten es über die gewählten hinaus auch noch gegeben hätte, wird jedenfalls erst am jeweiligen Ergebnis einer Auswahl sichtbar, an der Form des Mediums, nicht am Material, das etwa unverwendet im Atelier herumliegen bleibt. Dies impliziert auch: jede Form ist kontingent, da das Medium immer auch andere Kopplungen zugelassen hätte. Andererseits limitiert das Medium das, was überhaupt Form werden kann: mit Plakafarben kann nur schlecht plastiziert werden, mit Buchstaben wird selten gemalt. Medien scheinen daher bestimmte Formungen als wahrscheinlich anzubieten: etwa Buchstaben Worte und Worte Sätze, und die Schwierigkeit, aus einem Medium Unvorhergesehenes zu formen, könnte die Faszination der Kunst dafür erklären, mit Worten zu malen, Bilder in den Stein zu meißeln, statt sie aus Beton zu gießen, oder für eine Großplastik Würfel oder Käfer statt Ton zu verwenden. Man könnte vermuten, daß Kunst immer etwas mit der Unwahrscheinlichkeit der jeweiligen Differenz von Medium und Form zu tun hat. Jedenfalls fällt die Form in vielen Fällen nur deshalb auf, weil das Medium ungewohnt ist, aus dem die Form selektiert. Die Kunst unserer Zeit, in der Forminnovationen so selten geworden sind, daß man schon mehrfach ihr Ende ausgerufen hat, setzt daher verstärkt auf die überraschende Verwendung von Medien: der Künstler malt mit seinem eigenen Blut, formt seinen eigenen Körper, verarbeitet seine eigenen Exkremente. Arnold Gehlen hatte schon 1960 in seinen Zeit-Bildern[18] festgestellt, daß die Kunst in ihrer Geschichte bereits alle nur denkbaren Formen benutzt hat und nun in eine Phase des ewigen Recyclings eingetreten ist. Gehlen verkündete die

„bedeutende Neuigkeit: Von jetzt an gibt es keine kunstimmanente Entwicklung mehr! Mit einer irgendwie sinnlogischen Kunstgeschichte ist es vorbei, selbst mit der Konsequenz der Absurditäten vorbei, die Entwicklung ist abgewickelt, und was nun kommt, ist bereits vorhanden: Der Synkretismus des Durcheinanders aller Stile und Möglichkeiten, das Posthistoire.“

Vor dem Hintergrund dieser These des Posthistoire wird die Attraktivität neuer Medien verständlich, da es der Kunst an neuen Formen zu mangeln scheint.

Um welche Formen und Medien es sich auch immer handeln mag: jede bestimmte Differenz von Medium und Form, jedes bestimmte Ergebnis einer Selektionssequenz verdankt seine Kontur den anderen Möglichkeiten, die nicht aktualisiert, sondern negiert worden sind. Wenn Kunst so als Formung eines Mediums betrachtet wird, ist dann Textkunst diejenige Kunst, der Sprache Form zu geben? Das ist zu bejahen – doch gilt dies für jeden Text, mehr noch: Kommunikation generell hat es mit einer Relation von Medium und Form zu tun. Luhmanns Form-Begriff ist vollkommen unspezifisch. Jede Kommunikation ist kontingent, man kann immer anderes und auch anders kommunizieren. Dies zwingt uns, nach einem weiteren Kriterium Ausschau zu halten, das es uns erlaubt, Kommunikation der Kunst und besonders der Textkunst von anderen Handhabungen der Differenz von Medium und Form zu unterscheiden. Damit ist die Frage erneut gestellt, was Literatur als Kunst betrachtet eigentlich sei.

Da jede Kommunikation das Ergebnis einer Selektion ist, kann es nur die besondere Art und Weise dieser Auswahl sein, welche die Textkunst von anderen Texten unterscheidet. Man muß hier den Kommunikationsbegriff noch genauer fassen, nämlich als Selektionsofferte, die man dann verstanden hat, wenn man an ihr Information und Mitteilung zu unterscheiden vermag. Die Information der Kommunikation könnte eine andere sein, und sie könnte auf eine andere Weise mitgeteilt werden: etwa mündlich, brieflich, telephonisch, als Bild oder als Blumenstrauß, als Telegramm, als Pralinenschachtel oder als Kuß. Information und Mitteilung der Kommunikation bilden – wie Medium und Form – zwei Seiten einer Unterscheidung, die sich reziprok verändern: es ist nicht mehr dieselbe Information, wenn man etwa als Geburtstagsgruß an den Freund oder die Freundin eine e-mail oder einen Brief schreibt, diesen Brief mit dem Computer schreibt oder mit dem Füller, dazu weißes Kopierpapier benutzt oder doch lieber lindgrünes Büttenpapier mit persönlichem Wasserzeichen. Auch wenn dieselbe Buchstabenkette aufgeschrieben wird und die mathematisch orientierten Kommunikationstheoretiker im Gefolge von Shannon und Weaver oder Medientheoretiker wie Friedrich Kittler überhaupt keinen Unterschied feststellen könnten, haben wir es doch bei jeder anderen Mitteilungsart auch mit einer ganz anderen Kommunikation zu tun, die auf andere Weise Anschlußfähigkeit erzeugt. Man könnte vermuten, daß es im Falle der Textkunst um solche Kommunikationen geht, bei denen das Wie der Mitteilung eine größere Rolle spielt als das Was der Information. Nicht der Weltgehalt, die Fremdreferenz der Kommunikation wäre das für die Literatur Entscheidende, sondern die besondere Form der Mitteilung, der Verweis auf die Art der Darstellung, also die selbstreferentielle Seite der Kommunikation.

Anscheinend sind es also bestimmte Typen von Selektionen, bestimmte Selektionsprogramme, welche die Formgebungen der Textkunst von anderen Verwendungen desselben Mediums differenzieren. Aber was mag dafür in Frage kommen? Vor einiger Zeit wäre man bei der Suche nach solchen Typen schnell auf eine Antwort gestoßen, nämlich auf die literarischen Gattungen. Ein Gedicht, ein Drama, ein Epos unterscheidet sich aufgrund einer je einzigartigen Selektionsanweisung von allen anderen Sprachverwendungen. Metrik und Vers, Chor und Akte, Haupthandlung und Episode könnte man als jene Unterscheidungen im Medium der Sprache verstehen, welche die Textkunst und nur sie trifft und so von anderen Texten abhebt. Leider könnte man heute gegen einen solchen Unterscheidungsversuch einwenden, daß die Gattungsmerkmale längst verloren gegangen sind. In der Postmoderne gilt etwa auch die Geschichte als Roman, Verlautbarungen eines Verteidigungsministers werden als Beiträge zur modernen Lyrik publiziert, über die Taktiken des Shock and Awe schreiben Dramentheoretiker, und die Gedichte der Dichter sind seit langem nicht zu unterscheiden von den Texten der Werber, geschweige von Gebrauchsanleitungen oder von Fußballmannschaftsaufstellungslisten.

Ein aktuellerer Versuch der Definition wäre derjenige, Literatur als diejenige Sprachverwendung zu bezeichnen, die ihre Selbstreferenz zur Schau stellt, also darauf aufmerksam macht, wie gesagt wird, was gesagt wird – Michel Foucault hat hier vom Glitzern der Signifikanten gesprochen und dabei an Mallarmé gedacht, bei Paul de Man findet sich die These von der rhetorischen Selbstdistanzierung der Form des Textes von seiner Botschaft. Wohlmöglich wäre Literatur also diejenige Form, welche die Differenz der Sprache selbst, also die Differenz von Signifikant und Signifikat oder von Rhetorik und Botschaft oder auch: die Differenz der Kommunikation, also die Differenz von Information und Mitteilung, zum Thema macht. Diese raffinierten Vorschläge der Diskurstheorie und des Dekonstruktivismus haben allerdings den Nachteil, daß sie hochexklusiv sind – zwar würden Mallarmé und Joyce inkludiert werden, nicht aber populäre Liebesromane, Popliteratur oder Thriller. Und andererseits nutzt längst auch die Werbung die Möglichkeit, den Blick des Rezipienten vom Inhalt auf die Form und wieder zurück zu lenken, so daß sich trotz aller Bemühungen Textkunst nach wie vor kaum von anderen Textformen durch textimmanente Kriterien allein unterscheiden läßt. Erst der Kontext, der Buchdeckel, auf dem „Roman“ steht, oder der Hinweis „Anzeige“ über der konkreten Poesie des Werbeslogans schaffen Klarheit darüber, ob es sich um Textkunst handelt oder nicht. Damit könnte man zufrieden sein, doch zeigen diese textexternen Abgrenzungen, die mit Hinweisen auf Paratexte oder Kontexte operieren, unfreiwillig, aber überaus deutlich, daß auf der literaturimmanenten Ebene der Medien und Formen kein Unterschied zwischen Kunst und Nichtkunst, zwischen Textkunst und Sprache zu erkennen ist.

Wenn diese Diagnose aber zuträfe, dann könnte man über die Medien der Literatur auch nichts Spezifisches mitteilen, denn alles, was man über deren Medien sagen könnte, über alteuropäische Mnemotechniken, reich illustrierte Handschriften des Mittelalters, Buchdruck und Grafik, Brief und Post, Zeitschriften und Zeitungen, Photographie und Kino, Telegraph und SMS, Radio und Fernsehen, Internet und Cyberspace, gälte auch für andere, nicht-literarische Textformen, gälte auch für Sprache schlechthin. Auch die Zauberformeln wie Interaktivität, Multidimensionalität, Multimedialität, Instantanität, Immersion, Offenheit oder Nicht-Lineararität, mit denen die neue literarische Form der digitalen Literatur angepriesen wird, sind keine literarischen, sondern sie deuten qualitative, eher technische Standards an, derer sich jeder beliebige Content zu bedienen vermag. Von der Erfindung der Schrift wie vom Buchdruck, von der Rotationspresse wie vom Cyberspace profitieren eben alle Textformen, nicht allein die Textkunst – und wollte man dazu etwas Spezifisches sagen, müßte man eben wissen, was denn Textkunst sei.

Ich kann das hier skizzierte Problem nicht lösen – aber es ist nun zumindest benannt, bevor es auch von mir umgangen wird, denn ich werde die Frage nach der Textkunst zurückstellen, um statt dessen endlich zu klären versuchen, was denn Internet und Cyberspace als Medium der Literatur sein könnten. Ich werde dabei einen Umweg einschlagen, indem ich nämlich nicht etwa Texte im Cyberspace beobachte, sondern vielmehr die literatur- oder medientheoretische Semantik, die sich zur Rolle der Literatur im Netz der neuen Medien bereits gebildet hat. Ich beobachte also nicht Textkunst im Cyberspace als solche, da mir eine Definition des Objektbereichs erklärtermaßen schwerfällt, sondern ich werde Beobachter dabei beobachten, was und wie sie beobachten, wenn sie Literatur im Cyberspace beobachten. Ich werde es also hier eher mit wissenssoziologischen Beobachtungen probieren, um herauszufinden, was als Literatur im Cyberspace gilt. Nach diesem Durchgang durch die Semantik der Neuen Medien werde ich dann die Frage nach dem Kunstcharakter der Literatur in den Neuesten Medien noch einmal stellen.

Die Semantik der Neuen Medien

Cyberspace, Internet, Docuverse und WWW bezeichnen ein noch sehr junges, zunächst einmal technisches Phänomen. Ich möchte nun erkunden, was für die Literatur innerhalb der literatur- und medientheoretischen Beschreibungen der neuen technischen Epoche herausspringen soll. Um eines gleich vorwegzunehmen: erwartet wird jedenfalls das Ende der Literatur, wie wir sie kennen, einer Literatur, die nicht von allen gemacht wird, sondern von wenigen. „Literatur, wie wir sie kennen“, das klingt altmodisch und scheint allein dadurch schon vom Neuen entwertet zu werden. Alte Literatur, das bedeutet innerhalb der Semantik der Neuesten Medien eine Literatur,

·        die von einzelnen Autoren für viele geschrieben wird;

·        die von vorne nach hinten gelesen werden muß;

·        die eine Originalfassung des Textes kennt, die vom Leser nicht verändert werden kann;

·        die durch Urheberrechte geschützt ist;

·        die in Buchform erscheint, also an die materiellen Limits dieses Mediums gebunden ist.

Diese Eigenschaften gingen allesamt der Literatur im WEB verloren. Die neue Webliteratur entstehe in der Interaktivität einer Gemeinschaft von Usern, die Hierarchie zwischen Autor und Leser mache einer many-to-many-Kommunikation Platz. Der Hypertext sei kein geschlossener, sondern offener Text, sein Corpus sei nicht abgeschlossen, sondern veränderbar, die Rezeption erfolge nicht linear, sondern hyperdimensional, jeder Leser lese einen anderen Text, da sich jeder auf seine Art durch das Rhizom seiner Links klicke. Jeder Leser werde so auch zum Autor, der den Text verändere und fortschreibe. Produktion und Rezeption fielen so in einem integralen Prozeß zusammen. Kein juristisches copyright machte aus dem Text eine heilige Schrift, von dem sich kein Jota rauben ließe. Die Webliteratur sei vielmehr eine Literatur von allen für alle, Kosten entstünden keine, der Zugang sei ubiquitär, sie sei also in hohem Maße inklusiv statt exklusiv. Der Text bestehe nicht mehr nur aus Worten, die bisweilen mit Bildern garniert würden, sondern sei genuin multimedial. Ton- und Bildspur seien integraler Teil des Hyperdokuments. Die Integration des Tastsinns befinde sich in Vorbereitung. Die Ausdehnung des Textes sei potentiell unendlich, dank seiner Hyperlinks falle der Text letztlich mit dem Cyberspace selbst zusammen und sei so Buch und Bibliothek zugleich, lesbar und begehbar wie Borges’ Unendliche Bibliothek.

Man könnte nun leicht an ein paar Beispielen deutlich machen, wie weit es mit diesen Dingen tatsächlich steht. Michel Chaouli hat in einem instruktiven Essay für die Weimarer Beiträge (Heft 1, 2003) vom „teilnahmslosen Herumklicken“ in den Hyperfiction gesprochen und versucht, die strukturellen Gründe der Langeweile formarmer Beliebigkeit zu beschreiben (S. 11, 13). Gewiß: anstatt auf Interaktivität stößt man auf Interpassivität: auf simple Effekte, die per Mausklick ausgelöst werden. Statt multimedial fasziniert zu werden, wartet man lange auf die Übertragung der Dateien. Statt Immersion erleben wir Distanz. Statt im Cyberspace verloren zu gehen, bereitet uns der flimmernde Bildschirm in der wirklichen Welt müde Augen und Kopfschmerzen, und ich beziehe mich hier auf die Rezeption gekürter Sieger von avancierten WEB-Literatur-Wettbewerben. Und nach wie vor gibt es Autoren und Leser, gibt es sequentielle Rezeption – was auch sonst, solange es Zeit gibt –, gibt es deutlich erkennbare Textgrenzen und sogar das Urheberrecht. Diese Art der Schelte ist wohlfeil, doch könnte man hier eben so leicht einwenden, diese Makel seien noch technischen Mängeln geschuldet, die bald behoben sein würden – und tatsächlich verdoppeln sich ja etwa alle 18 Monate Bandbreite, Datendurchsatz, Prozessorleistung und Bildschirmauflösung: Moore’s Law nennt man diese Formel nach dem berühmten Intel CEO. Von Technikern möchte ich mir aber kein Ressentiment vorwerfen lassen müssen. Ich werde daher versuchen, denjenigen Teil der Erwartungen zu isolieren, der nicht allein dem technischen Stand der Dinge geschuldet ist, sondern eine spezifisch semantische Prägung aufweist. Ich meine die Versprechen der Interaktion und der Aufhebung der Asymmetrie von Autor und Rezipient. Denn diese beiden Versprechen der Webliteratur sind uns nicht aus der Technikgeschichte, sondern aus der Geschichte der Ästhetik gut bekannt, es scheint, als ob dasselbe Problem im Laufe der Zeit bereits dieselben Lösungsvorschläge evoziert hätte, deren unterschiedlich klingendes Vokabular dann tatsächlich vom jeweils technisch Machbaren einer historischen Epoche abhinge, deren Struktur aber kontinuiert hätte. Ich muß etwas ausholen, um diese Struktur herauszupräparieren.

Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts stand Interaktivität auf der Tagesordnung literarischer Programme. Weil Buchdruck und Theater Autoren und Rezipienten voneinander getrennt und entfremdet haben, hofft man auf eine technische Lösung, der Entfremdung in die Interaktion zu entkommen. Diese Hoffnung hat in Berthold Brechts Radiotheorie seinen ersten und bekanntesten Niederschlag gefunden. Während Brecht[19] zunächst (1927) die Erfindung des Radios ob seiner Verwendung belächelt („Es war ein kolossaler Triumph der Technik, nunmehr einen Wiener Walzer und ein Küchenrezept endlich der ganzen Welt zugänglich machen zu können. [...] Ein epochale Angelegenheit, aber wozu?“), entdeckt er 1932 sein Potential. Brecht hofft, daß eine neue Allianz von Medium und Form, von Radio und Kunst in der Lage sei, die defizitäre, auf der Entfremdung und der Vereinzelung des Menschen basierende arbeitsteilige Gesellschaft zu kurieren: „Die Kunst muß dort einsetzen, wo der Defekt liegt.“ (S. 124) Folglich müsse die Kunst sich der Vereinzelung entgegenstellen und kollektive Formen entwickeln. Dazu müsse sie im Radio aufgehen und es verwandeln: der Rundfunk darf nicht länger eine Masse voneinander separierter Personen mit Nonsense berieseln, sondern es muß sein Publikum einbeziehen, es zu einem Kollektiv verschweißen. 1932 konstatiert Brecht: Noch

„hat der Rundfunk eine Seite, wo er zwei haben müßte. Er ist ein Distributionsapparat, er teilt lediglich zu. [...] Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikationsapparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen.“ (S. 129)

Die Zauberformel hieße heute natürlich Interaktion und das Medium Internet. Brecht will das Auseinanderklaffen von einem Sender und vielen Empfängern abschaffen. Diese Symmetrisierung stehe auf der Tagesordnung der Geschichte, da sie unmittelbar in der Technik selbst implementiert sei und der lange, ungewisse (Um)weg einer ästhetischen Erziehung so überflüssig gemacht werde: Brechts „Vorschläge“ zur „Propagierung und Formung einer anderen Ordnung“ bilden, so nimmt er an, „doch nur eine natürliche Konsequenz der technischen Entwicklung“ (S. 134). Walter Benjamin[20] schreibt im gleichen Jahr in seinen Reflexionen zum Rundfunk, daß das Radio die „Konsumentenmentalität“ der „stumpfen, unartikulierten Massen“ (II,3, S.1506) in ihr Gegenteil verwandeln würde. Zwar werde noch versucht,

„die grundsätzliche Trennung zwischen Ausführenden und Publikum, die durch ihre technischen Grundlagen Lügen gestraft wird, in ihrem Betrieb zu verewigen. [Doch] jedes Kind erkennt, daß es im Sinne des Radios liegt, beliebige Leute und zu beliebiger Gelegenheit vors Mikrophon zu führen.“

Man müsse nur die „naturgemäßen Folgerungen aus den Apparaten“ ziehen, um ein unendliches, kritisches, interaktives Selbstgespräch der Massen zu installieren, wo bislang der Stumpfsinn des one-way-broadcasting vorherrschte. (ebd.) Die neue Technik und ihre neuen Kommunikationsverhältnisse lassen „die Haltung der Massen [...] umschlagen“. (ebd.) Um es nochmals zu betonen: Es geht auch hier nicht um Inhalte oder Messages. Es ist vielmehr die „technische und formale Seite [...], an der allein das Sachverständnis der Hörer sich schulen und dem Barbarentum entwachsen könnte.“ (II,3, S. 1507). Den Differenzierungen und Entfremdungen der Moderne wird die technische Utopie der Interaktion entgegengestellt.

Nach dem Radio, das wenig später als Volksempfänger vorführt, wozu Broadcasting fähig ist, das Kino. Benjamin erwartet 1936 die Abschaffung der typisch modernen, quantitativen wie qualitativen Asymmetrie von Produzent und Rezipienten vom Film, dessen Technik die Differenzierungen dieser Funktionsrollen tilge. Denn zum einen nehme das Publikum die gleiche Haltung zu den Darstellern des Films ein wie Cutter und Kameramann (I, 2, 488). Es fühle sich nicht in die Darsteller ein, wie einst bei Theaterstücken, sondern kopiere die „Haltung“ der „Apparatur“ (ebd.). Die technische Apparatur des Films symmetrisiert die Perspektiven des Publikums und der Produzenten. Benjamin vergißt nicht darauf hinzuweisen, daß der Film grundsätzlich „jedem eine Chance [gibt], vom Passanten zum Filmstatisten aufzusteigen.“ Andy Warhol wird diesen Satz aufgreifen und populär machen. Bei Benjamin heißt es: „Jeder heutige Mensch kann einen Anspruch vorbringen, gefilmt zu werden.“ (I, 2, 493) Der Film erzwinge die „simultane Kollektivrezeption“ (I, 2, 497) und damit die progressive Selbstorganisation der Massen zum Kollektiv (I, 2, 498). Hans Magnus Enzensberger hat in seiner Benjamin-Lektüre herausgestellt, daß die Kunst nun „alle Autonomie-Ansprüche“ aufgebe und „durch die Medien und in ihnen aufgehoben“ werde.[21] Der Film verändere den „Gesamtcharakter der Kunst“, die „gesamte Funktion der Kunst“ (Benjamin) derart, daß Enzensberger von ihrem „Ende“ sprechen möchte, insofern sie nämlich aufgehe in „einer viel allgemeineren Produktivität“ (S. 124), nämlich der „Interaktion“ der Massen (S. 128). Aufhebung der Kunst meint nun aber nichts anderes als die Entdifferenzierung der Funktionsdifferenzierung – oder in Benjamins Worten: Der Film hat „die Tendenz, die gegenseitige Durchdringung von Kunst und Wissenschaft zu befördern.“ (S. 35)

Ich fasse zusammen: Brecht und Benjamin erwarteten von den neuen Medien, erst vom Radio, dann vom Kino, eine Umstellung der Kommunikationsverhältnisse vom asymmetrischen Broadcasting auf symmetrische Interaktion. Im Verlauf dieses Prozesses, der gleichsam vom technischen Telos der Medien angetrieben wird, steht die Aufhebung der Kunst in einer anderen Gesellschaft, d.h. einer Gesellschaft, die nicht länger funktionsdifferenziert kommuniziert und in der folglich die Rollenasymmetrie von Autor und Lesern aufgehoben wird – ganz ähnlich, wie in manchen Prophezeiungen der New Economy die Asymmetrie von Produzent und Konsument eingezogen wird und die Wirtschaft als distinktes Sozialsystem in einer allgemeinen Ökonomie der Gabe aufgeht.

Neue Medien erwecken notorisch dieselben alten Hoffnungen. 1970 erscheint Enzensbergers Baukasten zu einer Theorie der Medien. Vom Fernsehen, vom Video, vom Xerox-Kopierer erwartet Enzensberger all das, was sich Brecht und Benjanim so offenkundig vergeblich von Radio und Film versprochen haben. Enzensbergers Kernthese ist die, daß „die elektronische Technik keinen prinzipiellen Gegensatz von Sender und Empfänger kennt“. Die faktische „Differenzierung von Sender und Empfänger“ werde nur aus „politischen Gründen“ gezogen und spiegele jene „gesellschaftliche Arbeitsteilung“ wider (S. 99), die es abzuschaffen gelte. Und dafür schlummere in der technischen Struktur der „elektronischen Medien“ selbst ein „Potential“, das nur auf seine „Entfesselung“ warte, um aus einer Berieselungsanlage passiver Konsumenten ein System „der Interaktion freier Produzenten“ zu machen (S. 107). Im „Gegensatz zu den älteren Medien wie dem Buch oder der Tafelmalerei, deren exklusiver Klassencharakter offensichtlich“ sei, „heben die neuen Medien alle Bildungsprivilegien [...] auf“ und schaffen das „kulturelle Monopol“ der „Eliten“ ab. „Die neuen Medien sind ihrer Struktur nach egalitär“ (S. 107). Die Interaktion der Massen gelingt also wiederum medientechnisch. Die Hierarchien der alten Kommunikationsverhältnisse, die Asymmetrien zwischen Produzent und Konsumenten, Autor und Publikum werden aufgelöst und von „Kommunikationsnetzen“ abgelöst, „die auf dem Prinzip der Wechselwirkung aufgebaut sind: eine Massenzeitung, die von ihren Lesern geschrieben und verteilt wird, ein Videonetz politisch arbeitender Gruppen usw. “ (S. 112). In diesen „netzartigen“ (S. 112) „neuen Formen der Interaktion“ (S. 115) erfülle sich das „Verlangen nach einer neuen Ökologie, nach einer Entgrenzung der Umwelt, nach einer Ästhetik, die sich nicht auf die Sphäre des »Kunstschönen« beschränkt.“ (S. 114). Der die Leser und Autoren isolierende Buchdruck, der „Feedback und Wechselwirkung“ kaum zuläßt, das geschlossene Werk in Buchform (S. 127), würden nun überholt: „Längst hinfällig ist die Vorstellung vom abgeschlossenen Werk“ (S. 123). Auch in Enzensbergers Baukasten finden sich alle Symptome des diagnostizierten Syndroms: egalitäre Interaktion statt hierarchische Asymmetrie, Entdifferenzierung statt Funktionsdifferenzierung, Lebenskunst des Kollektivs statt autonomer Kunst für vereinzelte Subjekte. Enzensberger selbst gibt folgende, polarisierende Zusammenfassung (S. 116):

Repressiver Mediengebrauch                    vs.          Emanzipatorischer Mediengebrauch

Zentral gesteuertes Programm                   vs.          Dezentralisierte Programme

Ein Sender, viele Empfänger                       vs.          Jeder Empfänger ist ein potentieller Sender

Immobilisierung isolierter Massen            vs.          Mobilisierung der Massen

Passive Konsumentenhaltung                   vs.          Interaktion der Teilnehmer, feedback

Produktion durch Spezialisten                   vs.          Kollektive Produktion

Das war 1970. Heute sind es Computer und ihre Vernetzung im Internet, die zu neuen Spielen mit dem alten Baukasten eingeladen haben. So prophezeit etwa Norbert Bolz das Ende der Gutenberg-Galaxis.[22] Die Datanauten im neuen docuverse seien interaktiv derart verschaltet, daß „literarische Arbeit als kollektiver Prozeß erkennbar“ werde (S. 223). Hypermedia werden den alten „Traum“ der medialen Interaktion im „Zweiwegkabelfernsehen“ erfüllt haben (S. 226). Die tendenziell „fascistische“ „Medienwirklichkeit des Broadcasting“ werde endlich aufgebrochen durch die „neuen Möglichkeiten einer dialogisch geschalteten, reversiblen, vernetzten Kommunikation“ (S. 180). Bolz überschreitet begeistert „eine Scheidelinie, die Weltalter trennt“, um zu verkünden: „wir nehmen heute Abschied von den linearen Aufschreibesystemen, die man Kultur oder Geist genannt hat“, und stoßen vor ins „Weltalter der Algorithmen“.[23] Telos der Entwicklung ist ein Interaktionsparadies, dessen Teilnehmer nicht mehr von ihrer Umwelt entfremdet und voneinander isoliert sind, sondern im Cyberspace quasi organisch miteinander verschaltet werden: „Der Grenzwert [...] ist elektronische Telepathie: das totale Interface“. Die biokybernetischen Kommunikationssysteme der nahen Zukunft vernetzten „ZNS und Computer direkt“, um schließlich die mittelalterliche Vorstellung zu realisieren, nach der „Engel ohne Vermittlung der Sprache kommunizieren“.[24] Ziel ist also die wahrhaft unmittelbare Interaktion aller mit allen. Das jüngste Medium hebt so den Sinn aller Medien auf: nämlich zu vermitteln und zugleich die Differenz zu wahren. Dieses Pfingstwunder wäre folglich auch das Ende der Gesellschaft als System der Kommunikation.

Bolz hat behauptet, die Differenz von Autor und Leser spiele im Internet keine Rolle mehr und das abgeschlossene Kunstwerk werde seiner Grenzen entledigt. Für die Literatur bedeutet das: „Die Poesie soll von allen gemacht werden!“, wie der eingängige Aufsatztitel von Heiko Idensen programmatisch fordert.[25] Er schreibt:

„Im Gebrauch digitaler Informationsnetzwerke bricht der für die abendländische Kultur konstitutive wesentliche Unterschied zwischen Schreiben und Lesen, Senden und Empfangen, Bezeichnen (Codieren) und Interpretieren (Decodieren) zusammen: Produktion, Verbreitung, Interpretation, Kommentierung, Retrieval von Informationen spielen sich in einem hypermedialen Netzwerk offener Verweis-, Navigations- und Strukturierungsoperationen ab.“ (S. 146)

Was immer man nun „am Computer“ tue, es sei Poesie im Sinne einer „Poetik des offenen Kunstwerks“: „Sie lesen und schreiben. Sie senden und empfangen. Sie spielen Theater. Sie suchen ...“ (S. 148) – alles gehört dazu. Wenn die Poesie von allen gemacht werden soll, ist auch alles Poesie. Eine Unterscheidung zwischen Literatur und Nicht-Literatur spielt hier keine Rolle mehr: „Hypermediale Erzählweisen, Postmoderne Literatur, Videoclips, interaktive Spiele, expanded books, Edutainment, Dokudrama ...“ (S. 160), „telematische Spielwelten“ und „Adventure-Environments“ befreien Leser, Autor und Werk aus der Gefängniszelle der Gutenberg-Galaxis und ermöglichen neue Formen der „Partizipation und Interaktion“ (S. 161). Der Cyberspace wird gar nicht als Medium der Kunst gehandelt, sondern er ist selber Kunst: ein neuer „Schreib-, Spiel- und Aktionsraum“, in dem „gelebt“ werden kann (S. 163). Der Frankfurter Literaturwissenschaftler Uwe Wirth schreibt 1997 in seinem Aufsatz über Literatur im Internet,[26] daß im Zeitalter des Buches der Buchdeckel die

„Grenze zwischen Text und Kontext [markierte]. Diese Grenze entfällt im Internet. Insofern ist Literatur im Internet durch den Verlust des Buch- und Werkcharakters ausgezeichnet. Sie löst den Literaturbegriff von seinem „»klassischen Träger«, dem Buch. Der Begriff des Textes ist nicht mehr an die Form des Buches gebunden. Im Internet bekommt Derrida uneingeschränkt recht, wenn er behauptet: »There is nothing outside the text Ja, man muß diese dekonstruktivistische Parole vielleicht sogar noch ergänzen und sagen: »There is nothing outside the hypertext“ (S. 324)

Der Hypertext verknüpft sich durch seine offene Struktur und die Möglichkeit unendlicher Verweisungen durch Hyperlinks zur unendlichen Bibliothek (S. 325). Wirth spricht von der „Hyper-Intertextualität“ des Internets (S. 325). Die Begeisterung scheint auch deshalb so groß zu sein, weil die „Literatur im Internet“ verschiedene „postmoderne Konzepte“ der Literatur zu bestätigen wie zu illustrieren scheint, insbesondere die Konzepte der „Intertextualität“ (S. 324), des „offenen Textes“ (S. 333f) und des dekonstruktivistischen Gleitens (S. 334f, 321, 325). Von Textkunst ist keine Rede, nur von Textualität. Im hyper-intertextuellen Cyberspace sind alle unterschiedlichen Codierungen und Diskursformen aufgehoben, jeder Text verweist auf alle anderen; das Docuverse ist zwar operativ digital, aber semantisch ganz und gar entdifferenziert. Der Leser avanciert vom passiven Konsumenten zum „CoAutor“ (S. 332), der mit oder in dem Hypertext interagiert. Die Annahme der Rezeptionsästhetik, der Leser erzeuge gleichsam in der Lektüre den Text, mündet im Internet in die „Interaktion“ von Leser und Text (S. 335). Die Struktur der Hypertexte sei die einer „rhizomatischen Bibliothek“ (S. 336) oder „labyrinthischen“ (S. 336f) Enzyklopädie, deren Vorbild auch hier Borges liefert (S. 322). Diese Struktur vorzuführen und wieder einmal das Medium zur Botschaft zu machen, sei die „poetische Funktion“ der „Literatur im Internet“ (S. 337).[27] Da nahezu jede Website diese „Struktur“ aufweist, wäre das ganze Internet in Wirths Sinne poetisch. Erneut erweisen die Neuen Medien ihre entdifferenzierende Kraft – zumindest auf semantischer Ebene.

III. Kunst im WEB

Die einschlägige Literatur zum Thema, die solche Begriffe wie Cyberspace, Docuverse oder virtuelle Welt im Titel trägt, suggeriert eine Einheit des Gegenstandsbereiches, die in Wahrheit allein eine technische ist. Der Cyberspace ist ein technisches Universum, aber ein soziales Multiversum. Nur weil dieselben technischen Voraussetzungen bestehen, folgt die Kommunikation im Internet noch lange nicht – wie Flusser oder Kittler es annehmen – ein- und demselben Code. Ob Bilder oder Töne oder Schrift – alles sei ohnehin nur „Text, Text der in Computersprachen geschrieben ist“.[28] Diese Textualität der Mediengesellschaft lädt offenbar zu Entdifferenzierungsthesen ein, als ob man ein Online-Banking-Programm nicht mehr von Cyberart unterscheiden könnte, nur weil alles im selben Code geschrieben ist, HTML oder Java oder Flash. Im Internet wird kommuniziert, weltweit sogar, aber die Codes und Funktionen dieser Kommunikationen im Internet sind dieselben wie außerhalb. Man kann sehr leicht intime Kommunikation von politischer unterscheiden, den Zahlenfluß der Weltwirtschaft von den Diskursen der Wissenschaft, die Nachrichtendienste von der Pop- und Unterhaltungskultur. Niemand verwechselt seine private e-mail mit der Internet-Ausgabe der Newsweek, niemand hält die Oberflächen von etrade oder ebay für Kunst, obwohl sie von den gleichen Webdesignern gestaltet werden die auch an der Herstellung von Cyberart mitarbeiten. Recht ist Recht, Politik ist Politik, Wirtschaft ist Wirtschaft, und Kunst ist Kunst – auch im Cyberspace. Also bleibt alles beim alten? – modern und funktionsdifferenziert, distinkt und asymmetrisch? Ich glaube nicht alles! Wenn ich auch davon überzeugt bin, daß die moderne Systemdifferenzierung von einem neuen Medium nicht aufgehoben wird, sondern ganz im Gegenteil: daß die Funktionsdifferenzierung dem Cyberspace ihre Unterscheidungen einprägt, so ändert sich doch vieles innerhalb der einzelnen Sozialsysteme. Was die Kunst betrifft, so könnte es sein, daß die alten Gattungsdifferenzen im Internet unter Druck geraten. Dies liegt daran, daß Gattungsunterscheidungen wesentlich Unterscheidungen von Medien sind: Musik, Malerei und Literatur sind Gattungen der Kunst, die ihre Eigentümlichkeit innerhalb der Kunst ihrer grundsätzlichen medialen Differenz verdanken. Töne, Bilder und Texte artikulieren eine jeweils andere Differenz von Medium und Form.

Mit der vernetzten und multimedialen Universalmaschine des Computers steht nun aber ein Medium zur Verfügung, das alle anderen Medien zu simulieren und zu integrieren vermag. In diesem Falle schließe ich mich der Ansicht Friedrich Kittlers an, der in Grammophon, Film, Typewriter[29] schreibt:

„Die Leute werden an einem Nachrichtenkanal hängen, der für beliebige Medien gut ist [...] In der allgemeinen Digitalisierung [...] verschwinden die Unterschiede zwischen einzelnen Medien. Nur noch als Oberflächeneffekt, wie er unterm schönen Namen Interface beim Konsumenten ankommt, gibt es Ton und Bild, Stimme und Text.“ (S. 7)

Nur noch als Oberfläche gibt es Unterschiede, spricht der Technologe, und gerade darauf kommt es mir hier an. Nur auf der Oberfläche also „gibt es Ton und Bild, Stimme und Text“, und das neue daran ist, es gibt sie zugleich auf einer einzigen Oberfläche. Die Multimedialität der Hypertexte ermöglicht eine Simultanrezeption von Tonspuren und moving pictures, von gesprochener oder gesungener Stimme und geschriebenem Text, von gescannten Bildern oder programmierten Grafiken und Animationen.

Wenn ich nun auf meine Ausgangsüberlegung zurückgreife, daß Kunst es mit einer bestimmten Beziehung zwischen Medium und Form zu tun hat, dann versteht sich, daß der Cyberspace ein Medium ist, dessen künstlerische Formung besonders komplex ist. Der Cyberspace wird – um es zunächst ex negativo auszudrücken – als Medium der Kunst nicht genutzt, wenn man schlicht einen Warhol scannt, ein Rilke-Gedicht abschreibt oder eine Wagner-Oper digitalisiert, um diese Kunstwerke dann auf einer Homepage zu publizieren. Es handelte sich einfach um digitalisierte Kunst oder Literatur. Kafkas in Internet publizierten Romane fielen nicht unter die Internetliteratur. Das Internet würde nur als Verbreitungs- und Speichermedium genutzt und ist genauso wenig ein Medium der Kunst wie ein Lastwagen, der Bilder einer Ausstellung transportiert. Nur wenn die spezifische mediale Qualität des Internets, nämlich verschiedene Medien simulieren und integrieren zu können, von der Form genutzt wird, erhält es Kunstqualität. Zu einer gelungenen Form wird vermutlich gehören, darauf zu verzichten, wie ein begeisterter Vorführer auf der Cebit schlechtweg nur zu zeigen, was läuft. Vorzuführen, was technisch alles möglich ist, scheint der zentrale Impuls der frühen Internetliteratur gewesen zu sein, die ich aus diesem Grund als mißlungen bezeichnen würde. Die technischen Möglichkeiten des Mediums vorzuführen, impliziert nicht, daß dies in überzeugender Form geschieht.

Diese Anforderung an die Kunst, durch Formung ihrer Medien zu überzeugen, impliziert, daß genuine Textkunst das Internet niemals als Medium der Kunst nutzen würde, da Kunst in Form der Schrift per definitionem die multimedialen Möglichkeiten nicht nutzt, da Textkunst weder Bildkunst noch Tonkunst ist. Dasselbe gilt für Malerei und Musik. Die Werke der Preisträger für Internetliteratur der Wettbewerbe der Zeit oder von T-Online zählten also gar nicht zur Literatur – und tatsächlich spielen in diesen Werken Textsequenzen die geringste Rolle, während Programmierung und Gestaltung höchste Priorität einnehmen. Nur eine Avantgarde von Künstlern weiß dies und versucht ernsthaft, den Cyberspace als Medium der Kunst zu erschließen. An den Werken, die bis jetzt vorliegen, läßt sich beobachten, daß die bildende Kunst sich der Schrift öffnet und daß umgekehrt die Literaten grafische Elemente in ihr Werk integrieren. Dies führt dann in der Tat zu Kooperationen, nämlich von Textern, Grafikern und Programmierern. Unter der Herausforderung, das Multimedium als Medium für Formen der Kunst zu verwenden, brechen die Gattungsdifferenzen tatsächlich zusammen – freilich nur im Cyberspace selbst, in der wirklichen Welt wird es weiterhin Texte und Bilder, Töne und Stimme geben. Im Cyberspace dagegen hat die Textkunst keine Zukunft. Sie wird dort immer nur aufgehoben werden.

 

Links zum Text / Beispiel

 

http://www.dtv.via.t-online.de/spindler_m/DSWMEDIA/literaturprojekt.html

http://www.dtv.via.t-online.de/Literaturpreis/drescher/index.htm#

http://www.dtv.via.t-online.de/Literaturpreis/linke/index.htm

http://www.dtv.via.t-online.de/Literaturpreis/maskiewicz/Quadrego/index.htm

http://www.wargla.de/index3.htm

http://www.dtv.via.t-online.de/Literaturpreis/seyerlein/box/p/t1.htm

http://www.ingoldairlines.com/start_set.htm

http://www.dichtung-digital.de/homepage/text-kritk-intro.htm

http://www.t-online.de/literaturpreis/essay/index.htm

 



[1] Gundolf S. Freyermuth, Von A nach D. Zwischen Hype und Utopie, in: Cyberhypes. Möglichkeiten und Grenzen des Internets, hrsg. von Rudolf Maresch und Florian Rötzer, Frankfurt/Main 2001, S. 213-232, S. 220.

[2] Gundolf S. Freyermuth, Cyberland, Berlin 1996.

[3] Freyermuth, Von A nach D. Zwischen Hype und Utopie, S. 220.

[4] Vgl. zur Unterscheidung digitaler von digitalisierter Literatur Christiane Heibach, “Die unsichtbare Geschichte. Thesen zum Wesen der Netzliteratur“, in: www.dichtung-digital.de/Forum-Kassel-Okt-00/Heibach. Digitale Literatur ist Literatur, die die Möglichkeiten des Netzes so nutzt, daß sie außerhalb nicht existieren könnte. Digitalisierte Literatur wäre Literatur, die ohne weiteres in Buchform erscheinen kann oder erschienen ist und nun gescannt oder abgetippt (digitalisiert) im Netz erscheint.

[5] Vgl. N. Katharine Hayles, Situating Narrative in an Ecolgy of Media, in: Modern Fiction Studies, Fall 1997, No. 3.

[6] Vgl. Eduardo Kac, Das Internet und die Zukunft der Künste, in: Mythos Internet, hrsg. v. Stefan Münker und Alexander Roesler, Frankfurt/Main 1997, S. 291-318; Zitat S. 306.

[7] Vgl. zu Asymmetrie als Bedingung der Kunst Michel Chaouli, Kommunikation und Fiktion, in: Weimarer Beiträge, 49. Jg., Heft 1, 2003, S. 5-16, S. 10f.

[8] Vgl. Stefan Krempl, Cyberhype = Wired, in: Cyberhypes. Möglichkeiten und Grenzen des Internets, hrsg. von Rudolf Maresch und Florian Rötzer, Frankfurt/Main 2001, S. 192-212.

[9] Richard Barbrook, Cyberkommunismus, in: Cyberhypes. Möglichkeiten und Grenzen des Internets, hrsg. von Rudolf Maresch und Florian Rötzer, Frankfurt/Main 2001, S. 76-101, S. 95.

[10] Norbert Bolz, Am Ende der Gutenberggalaxis. Die neuen Kommunikationsverhältnisse, München 1993, S. 223.

[11] Maresch, Rötzer, Cyberhypes, S. 26.

[12] Bill Gates, Der Weg nach vorn, Hamburg 1995, S. 230.

[13] Vgl. Rainer Kuhlen, Zur Virtualisierung von Bibliotheken und Büchern, in: Literatur im Informationszeitalter, Dirk Matejovski, Friedrich Kittler (Hg.), Frankfurt/Main / New York 1996, S. 112-142, S. 113. Freilich sei dieser Abschied langsam zu nehmen, er sei aber „unaufhaltsam“.

[14] Vgl. Vgl. Roberto Simanowski, Autorschaften in digitalen Medien, in: Text und Kritik, Heft 152, Oktober 2001, S. 3-21, S. 5f.

[15] Vgl. hierzu Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt/M 1995.

[16] Vgl. Sybille Krämer, Sprache und Schrift oder: Ist Schrift verschriftete Sprache, in: Zeitschrift für Sprachwissenschaft 15.1 (1996), S. 92-112. Krämer zeigt überzeugend, daß orale Sprache und Schrift als zwei unterschiedliche Medien für Formen zu gelten haben, also Schrift keineswegs einfach Sprache verschriftlicht.

[17] Herbert Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle, Düsseldorf 1992, S. 18.

[18] 1960, 2., überarb. Aufl. 1965, 3. Aufl. 1986, S. 206.

[19] Berthold Brecht, Werke Bd. 18, Frankfurt/Main 1967. Alle Brecht-Zitate nach dieser Ausgabe.

[20] Alle Benjamin-Zitate nach Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, hrsg.v. Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt 1977. Angaben nach Band, Teilband und Seitenzahl.

[21] Hans Magnus Enzensberger, Baukasten zu einer Theorie der Medien (1970), München 1997, S. 124.

[22] München 1993.

[23] Bolz, Am Ende der Gutenberggalaxis, S.180.

[24] Bolz, Am Ende der Gutenberggalaxis, München 1993, S.223, S.226, S.180, S.118, S.119.

[25] Heiko Idensen, Die Poesie soll von allen gemacht werden! Von literarischen Hypertexten zu virtuellen Schreibräumen der Netzwerkkultur, in: Literatur im Informationszeitalter, Dirk Matejovski, Friedrich Kittler (Hg.), Frankfurt/Main / New York 1996, S. 143- 184

[26] In: Mythos Internet, hrsg. v. Stefan Münker und Alexander Roesler, Frankfurt/Main 1997, S. 319-337.

[27] „Nicht das Wissen selbst, sondern das Erkennen seiner labyrinthischen Organisationsformen ist strukturell gesehen das wertvollste Wissen, das die Bibliothek repräsentiert. Ihre Struktur ist die Botschaft und erfüllt dergestalt eine poetische Funktion im Sinne Jakobsons. Zugleich zeigt sich hier eine Analogie zu McLuhans Schlagwort, daß das Medium die Botschaft ist. Das gleiche gilt für die hypertextuell organisierte Literatur im Internet.“ (S. 336f) Damit wird raffiniert genau das, was an der Internetliteratur vollkommen unstrittig ist, nämlich die Vernetztheit, zum Kriterium der literariness erklärt. Aber welcher Text im Netz führt das Medium seiner Form nicht lustvoll vor?

[28] Vgl. Roberto Simanowski, Autorschaften in digitalen Medien, in: Text und Kritik, Heft 152, Oktober 2001, S. 3-21, S. 13.

[29] Berlin 1986.