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ThemenMedienkunst im ÜberblickEditorial
Einführung
Medienkunst muss multimedial vermittelt werden
Rudolf Frieling / Dieter Daniels

http://www.medienkunstnetz.de/themen/medienkunst_im_ueberblick/editorial/

Alles Mediale hat spätestens mit dem Boom der New Economy Mitte der 1990er Jahre große Bereiche der Gesellschaft ›infiziert‹. Das ›Bookmarking‹, also die Abspeicherung der Netzadressen in unserem Browser, ist heute eine alltägliche Beschäftigung. Aber wie oft bleibt es bei einem Bookmark, den wir nie wieder aus seiner Versenkung im File-Ordner hervorholen? Die Praxis im Umgang mit den digitalen Inhalten fördert vielfach das Vergessen. Benötigen wir also vielleicht materielle Stützen für mediale Erfahrungen? Wir kennen das Buch zum Film oder den Film zum Buch, aber warum nicht endlich auch ein ›Buch zum Netz‹? Dieser Band möchte die Verbindung der Medienwelten von Netz und Buch fördern, um damit nicht zuletzt auch die Qualität des Bookmarks www.medienkunstnetz.de zu verstärken.

Im Bereich von Kunst und Kultur fehlt es der wissenschaftlich-kulturellen Kompetenz noch immer an einer Kompatibilität mit der medial vernetzten Informationswelt. Während die Naturwissenschaften und die Wirtschaft das Netz als selbstverständliche Plattform benutzen, ist in weiten Bereichen der Kunst- und Kulturwissenschaft immer noch das Buch oder dieFachzeitschrift das Leitmedium. Hier bestätigt sich noch die in anderen Bereichen längst überholte Skepsis, das ›eigentliche‹ Wissen sei nur in Büchern zu finden, das Netz enthalte meist oberflächliche und unzuverlässige Information.

Unter diesem Auseinanderklaffen von ›medialiteracy‹ und kultureller Kompetenz leidet kein künstlerisches Feld mehr als die Medienkunst, denn diese lässt sich durch die text- und printbasierte Darstellung nur unzureichend vermitteln, da sie ohne die Erfahrung ihrer eigentlichen, multimedialen Qualität kaum in ihrer Bedeutung zu erfassen ist. Es besteht also das Paradox, dass gerade die multimedialen Kunstformen, die mit und in den digitalen Technologien entstehen, an der potentiellen Breitenwirkung dieser Medientechniken kaum partizipieren. Der Mainstream der immer noch printbasierten Kunstwissenschaft und Kulturvermittlung kann ihrer Spezifik nicht gerecht werden, im Internet hat sich aber noch keine in die Breite wirkende Plattform etabliert.

Traditionelle Distributionsmedien wie Buch oder Fernsehen haben sich als ungeeignet oder unfähig erwiesen, den künstlerischen Medienprojekten ein dauerhaftes oder gar adäquates Forum zu bieten und damit einer breiteren Rezeption zu öffnen; die Medienkünste haben ihrerseits den Massenmedien gegenüber eine oft anti-institutionelle Haltung gepflegt und eigene Foren und Orte für Insider geschaffen. Doch besteht immer mehr Bedarf an konkretem Anschauungsmaterial zu einer Kunst in und mit den Medien. Fragen einer audiovisuellen Ästhetik können nur dann konkreter behandelt werden, wenn die entsprechenden Materialien auch jenseits der wenigen spezialisierten Archive und temporären Festivals verfügbar sind. Dass ein solcher Diskurs ästhetischer Grundlagen erst mit Verspätung in der Wissenschaft und Kunstgeschichte geführt wird, lässt sich als Vermittlungsparadoxie der Medienkunst bezeichnen.

www.medienkunstnetz.de

Um auf diese Situation zu reagieren, wird mit dem Projekt »Medien Kunst Netz« eine audiovisuelle und theoretische Struktur als Selbst-Lernangebot im Netz installiert. Durch eine Kombination verschiedener Darstellungsformen erhält sowohl der interessiertes ›Surfer‹ ein knappes, multimedial attraktiv gestaltetesAngebot als auch der spezifischer Recherchierende eine profundere, umfassend dokumentierte Information und Kontextualisierung. Konsequente Zweisprachigkeit (deutsch/englisch) trägt der Internationalität Rechnung. Ziel ist eine neue Form der kultur- und kunstwissenschaftlichen Synthese von Theoriebildung und ›scientific visualisation‹, die ein kunstspezifisches Telelearning unterstützen kann. Der Vorrang gilt weder der reinen Quantität noch der detaillierten Fallstudie, sondern den sinnvollen Verknüpfungen, die ein intuitives wie intellektuelles Erfassen ermöglichen und methodisch eine Vielfalt unterschiedlicher inhaltlicher Perspektiven präsentieren. Die Kontextualisierung, ein Schlüsselbegriff der Kunst der 1990er Jahre, wird hier sehr konkret umgesetzt, ohne jedoch einem spezifischen theoretischen Ansatz als bloße Illustration zu dienen. Auch die bei einem solchen Projekt drohende Gefahr einer wuchernden Verlinkungsmaschine, die alles mit allem vernetzt, haben wir bewusst zugunsten eines sinnvollen, datenbankgestützten wie auch redaktionell erarbeiteten Angebots von ausgewählten ›links‹ zu vermeiden versucht. »Medien Kunst Netz«, das dritte Projekt der Zusammenarbeit von Goethe-Institut und ZKM Karlsruhe, verweist auf eine zweifache Vernetzung: Inhaltlich ist es das Ergebnis einer Kollaboration der Herausgeber mit verschiedenen Autoren, formal entstand und entsteht es als Vernetzung der Kompetenzen unterschiedlicher Institutionen und Personen im Kontext der Medien- und Kunstwissenschaft.

Während bei den vorhergehenden Publikationen noch Theorie und Texte im Buch und audiovisuelle Materialien auf CD-ROM getrennt sind, werden sie hier auf der Web-Plattform zusammengeführt. Damit ergibt sich eine augenfällige Verknüpfung der Reflexion mit dem Kontext der audiovisuellen Dokumentation. Aber rechtfertigt dies nun ein Buch mit Texten, die alle auch online verfügbar sind? Die unschlagbare Pragmatik des Buchmediums lässt diesen Schritt sinnvoll erscheinen. Das ausführliche Lesen wissenschaftlicher Texte erfordert gleichsam das Buch in der Hand. Die Suche nach Referenzen und Querverbindungen, das Arbeiten mit audiovisuellen wie textlichen Materialien situiert sich jedoch medial im hypertextuellen MediumInternet. Querverweise vom Buch zur Website mit Hilfe von ›Softlinks‹ dienen dem gezielten und vereinfachten Zugriff auf die Materialien im Netz und der Verstärkung der Verknüpfung unterschiedlicher medialer Erfahrungen. Vielfältige synergetische Effekte können so entstehen.

»Medien Kunst Netz 1«

Der »Überblick« ist das erste Modul, das wir im Netz veröffentlichen und mit dem vorliegenden Textband begleiten. Dieses Modul dient allen folgenden als materialreiche Grundlage und reagiert gleichzeitig auf eine weitere Paradoxie der medialen Vermittlung: Selbst in den einschlägigen Netzadressen der Medienkunst fehlte bislang eine umfassende Einführung. In der exemplarischen Auswahl von Materialien und Quellentexten sowie in der semantischen Verknüpfung durch Autoren wie auch der automatisierten Verknüpfung durch die Datenbank sehen wir eine wichtige Voraussetzung, um Ansätze eines Curriculums in Bezug auf die Medienkunst zu entwickeln. Die freie Verfügbarkeit dieser Materialien ist ein zentraler Aspekt des Projekts. Thematisch werden historische Entwicklungen wie inhaltliche Querverbindungen in zehn Essays zu einem Überblick zusammengeführt. Die Spannbreite reicht dabei von den utopischen medialen Entwürfen ab den 1910 er/1920er Jahren und den klassischen Themen wie Fernsehen, Audio Art und Performance bis hin zu Lektüren, die in sozialer/politischer, kommunikations- und wahrnehmungsästhetischer sowie in klassischer kunsthistorischer Hinsicht das Feld jeweils spezifisch beleuchten. Überschneidungen ergeben sich zwangsläufig und sind daher auch logischer Ausdruck der multiplen Perspektiven. Zwei der Essays richten das Augenmerk schließlich auf die besonderen Formen der virtuellen Narration wie des Verhältnisses von Medienkunst und Institutionen.

Projekte und Entwicklung »Medien Kunst Netz 2«

»Medien Kunst Netz 1: Überblick« legt als Einführung in die Medienkunst den Grundstein für die in Band 2 (Herbst 2004) geplante Aufbereitung spezifischer Themen im Kontext der Medienkunst. Diskurse werdendurch diese Schwerpunkte vertieft und weitere Verknüpfungen zu Wissenschaftstheorie, Filmgeschichte und Kulturwissenschaft ausgelotet. Damit glauben wir, ein Feld zu eröffnen, das Verbindungslinien akzentuiert, statt sie in medien- oder gattungsspezifischen Kategorien einzuschließen. Nicht zuletzt das Networking der beteiligten Wissenschaftler, Kuratoren und jeweiligen Institutionen sowie vor allem auch die konkrete Auftragsvergabe an KünstlerInnen, eigene Perspektiven auf die Kontexte und Fragen des Projekts wie des Internets hin künstlerisch zu programmieren, dienen dem pluridisziplinären Ansatz der Vermittlung. Diese künstlerischen Projekte - Daniela Plewe »ArtAbstracts«, Blank & Jeron »Making Sense of it all«, Ismael Celis »Intermaps« - sind nur im Netz zugreifbar und rezipierbar, so dass die Komplimentarität zwischen Netz und Buch des Hinweises bedarf, dass im Netz unter: www.medienkunstnetz.de das genuine Feld des Diskurses zu finden ist.

© Medien Kunst Netz 2004