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Gerry Schum »Identifications«
Gerry Schum, »Identifications«, 1970
Fotograf: Beuys: Lothar Wolleh © Oliver Wolleh | © Wevers, Ursula
 


 
 
Deutschland | 42' | Edition / Produktion: Südwestfunk (SWF)
 

 Gerry Schum
»Identifications«

Die in Fortsetzung von »Land Art« als »II. Fernsehausstellung« bezeichnete und um 22. 50 Uhr am 30.11.1970 in SWF/1. Programm ausgestrahlte Sendung stellt 20 Künstler aus 6 Ländern mit Beiträgen in einer Länge von 35 Sekunden bis zu 5 Minuten vor. Die Reihenfolge richtet sich nach den Herkunftsländern: 4 Beiträge aus Deutschland (Joseph Beuys, Reiner Ruthenbeck, Klaus Rinke, Ulrich Rückriem), einer aus Frankreich (Daniel Buren), je 2 aus England (Hamish Fulton, Gilbert & George) und den Niederlanden (Stanley Brown, Ger van Elk), 6 aus Italien (Giovanni Anselmo, Alghiero Boetti, Pier Paolo Calzolari, Gino de Dominicis, Mario Merz, Gilberto Zorio), 5 aus den USA (Gary Kuehn, Keith Sonnier, Richard Serra, Lawrence Weiner und Franz Erhard Walther, der damals in New York lebt). Die einzelnen Stücke haben keine Titel und werden nur mit dem Künstlernamen angekündigt – es gibt keinen Kommentar.
Vor der Fernsehausstrahlung findet eine Premiere im Kunstverein Hannover am 20.11.1970 statt, da die Stadt Hannover im Rahmen von »Experiment Straßenkunst Hannover« einen wesentlichen Teil der Finanzierung übernommen hat.
Die Sendung beginnt mit einer sechsminütigen Ansprache von Schum. An die Stelle der an einer Galerieeröffnung orientierten Studioatmosphäre von »Land Art« tritt ein vom Blatt gelesener Text, der dem konzeptuellen Charakter der folgenden Werke entspricht. Hier heißt es: »Das Kunstobjekt verliert seine Autonomie, ist nicht mehr vom Produzenten, also vom Künstler zu trennen. (...) Wir erleben das Kunstobjekt nicht mehr als Gemälde oder Skulptur ohne Kontakt zum Künstler. Im Fernsehobjekt kann der Künstler sein Objekt reduzieren auf die Attitüde, auf die bloße Geste als Hinweis auf seine Konzeption. Das Kunstobjekt stellt sich dar als die Einheit von Idee, Visualisierung und dem Künstler als Demonstranten.«

Joseph Beuys
Die deutschen Beiträge stammen von Künstlern, die durchweg mit skulpturalen Prozessen arbeiten. Beuys Begriff der »sozialen Plastik« liefert das umfassendste Modell dieses »erweiterten Kunstbegriffs«. Sein Beitrag »Filz-TV« setzt sich kritisch mit der Wirkung des Massenmediums auf das Individiuum auseinander.

Reiner Ruthenbeck
Die übrigen deutschen Beiträge sind spezifischer auf den Kunstkontext bezogen. Reiner Ruthenbeck füllt den Bildraum langsam mit einem Stück für Stück wachsenden Haufen aus zerknülltem schwarzen Papier. In Ruthenbecks skulpturalem Werk haben seit dem »Aschehaufen« von 1968 verschiedene Formen der Anhäufung eine zentrale Bedeutung. So gibt es den in »Identifications« entstehenden »Papierhaufen« in ähnlicher Form auch als autonome Skulptur.

Klaus Rinke
Klaus Rinke läßt in seinem Beitrag eine volle Wassertonne in Richtung des Betrachters umfallen, so daß das Wasser in 50 Sekunden bis an den Bildrand fließt. Solche »skulpturalen Handlungen« sind laut Rinke »natürlich banal, aber vom plastischen Prozeß aus gesehen ganz neu für die Kunst – nicht etwa als symbolische Handlung, sondern als Plastik, fast schon als traditionelle Plastik«.

Ulrich Rückriem
Ulrich Rückriem verwendet in seinem Beitrag die Steinskulptur »Dolomitstein gespalten (Hammer und Eisenkeile)« von 1968. Für den Film wird die in fünf Teile geteilte und dann wieder zur ursprünglichen Form zusammenfügte Steinstehle von Rückriem Stück für Stück abgehoben und auf den Boden geworfen. Die zuvor geschlossene, aber geteilte Form wird so als eine Ansammlung von Bruchstücken erkennbar.

Franz Erhard Walther
Franz Erhard Walther führt in seinem Beitrag das »Objekt für Ruhe« aus seinem »1. Werksatz« von 1963-69 vor. Das aus Segeltuch genähte Stoffobjekt erhält wie alle Teile des »Werksatzes« erst durch die Benutzung seine ästhetische Funktion: »Das 'Werk' wird erst im Handlungsprozeß erzeugt.« Der Benutzer kann zwei Positionen einnehmen, mit den Händen in der Spitze und gespreizten Beinen oder umgekehrt mit ausgebreiteten Armen und geschlossenen Beinen. Beide werden von Walther vorgeführt, während der Ton den regelmäßigen Atem wiedergibt.

Die fünf Beiträge deutscher Künstler in »Identifications« sind als filmgerechte Demonstration von prozeßhaften Werken, die großenteils auch als autonome Stücke exisitieren, typisch für die künstlerische Haltung der gesamten Sendung.