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Cybernetic Serendipity | Ausstellungsansicht
»Cybernetic Serendipity«, 1968
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Kurator: Jasia Reichardt; Jasia Reichardt | Veranstalter: ICA Institute of Contemporary Art | London
 

 Cybernetic Serendipity

Pressemitteilung zur Ausstellung am ICA in London, die von Jasia Reichardt kuratiert wurde und dort vom 2. August bis Oktober 1968 zu sehen war: Das Wort »Kybernetik« ist vom griechischen Wort »kybernetes«, der »Steuermann«, abgeleitet. Das englische Wort »Governor« geht auf die lateinische Version des gleichen Wortes (gubernare) zurück. Der Begriff Kybernetik wurde erstmals um 1948 von Norbert Wiener benutzt. Der Untertitel seines 1948 erschienenen Buches »Kybernetik« lautete »Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine«. Heutzutage bezeichnet der Terminus Kommunikations- und Regel-Systeme in komplexen elektronischen Geräten (wie z.B. Computern), die große Ähnlichkeiten mit den Kommunikations- und Regel-Prozessen im Nervensystem des Menschen aufweisen. Ein nach dem Prinzip der Kybernetik arbeitendes Gerät reagiert auf einen Stimulus von außen und wirkt im Gegenzug wiederum auf die Außenwelt ein - wie z.B. ein Thermostat, der auf die Kälte in einem Raum reagiert, indem er die Heizung anstellt und auf diese Weise die Temperatur verändert. Diesen Prozess bezeichnet man als Feedback. Die im Rahmen der Ausstellung gezeigten Werke sind entweder mit Hilfe eines kybernetischen Gerätes entstanden (eines Computers) oder sind selbst kybernetische Geräte. Sie reagieren auf etwas in der Umwelt, sei es ein Mensch oder eine Maschine, und erzeugen im Gegenzug entweder Töne, Licht oder eine Bewegung Der Begriff »Serendipity« wurde 1754 von dem Schriftsteller Horace Walpole geprägt. Er geht auf die Legende von drei Prinzessinnen aus Serendip (dem alten Namen von Ceylon) zurück, die die ganze Welt bereisten und bei allem, was sie unternahmen und sie suchten, stets etwas fanden, das noch viel besser war. Walpole verwendete den Begriff, um die Gabe zu beschreiben, durch Zufall auf glückliche und unerwartete Entdeckungen zu stoßen. Mit Hilfe von kybernetischen Geräten, mit denen Grafiken, Filme und Gedichte generiert werden, sowie mit Hilfe von anderen mit Zufallszahlen arbeitenden Maschinen, die mit dem Betrachter interagieren, sind schon viele glückliche und unerwartete Entdeckungen gemacht worden. Daher auch der Titel dieser Ausstellung.« Statement der Kuratorin, Jasia Reichardt: »Eine der ersten Zeitschriften, die sich Mitte der 1960er Jahre mit dem Computer und der Kunst beschäftigte, war »Computers and the Humanities«. Im September 1967 schrieb Leslie Mezei von der University of Toronto in der Einleitung zu seinem Artikel über »Computers and the Visual Arts«, der in der September-Ausgabe erschien: »Obwohl ein großes Interesse daran besteht, den Computer in verschiedenen Bereichen der visuellen Kunst einzusetzen, sind bisher nur wenige wirklich gelungene Ergebnisse erzielt worden. Die Gründe für diesen Mangel an Fortschritten liegen zum einen in den technischen Schwierigkeiten bei der Weiterverarbeitung von zweidimensionalen Bildern und zum anderen in der Komplexität und dem hohen finanziellen Aufwand für das Equipment und die Software. Allerdings wird die zur Zeit immense Zunahme an computergenerierten Grafik-Programmen und an automatischen Bildverarbeitungs-Technologien wahrscheinlich in den nächsten Jahren dramatische Veränderungen in diesem Bereich nach sich ziehen.« Die Weiterentwicklung der Bildverarbeitungs-Technologie dauerte allerdings dann doch länger, als Mezei vorausgesagt hatte, was zum Teil auch daran lag, dass Software und Hardware immer noch teuer sind. Er wies zudem darauf hin, dass die meisten im Jahr 1967 existierenden Bilder in erster Linie in Hobby-Arbeit entstanden waren. Darüber hinaus beschäftigte er sich in seinem Artikel mit dem Werk von Michael Noll, Charles Csuri, Jack Citron, Frieder Nake, Georg Nees und H.P. Paterson. All diese Namen sind uns heutzutage als legendäre Pioniere der Computerkunst ein Begriff. Mezei selber war auch Computerkünstler und entwarf Bilder-Serien, für die er das Ahornblatt und andere typisch kanadische Wahrzeichen als Vorlagen verwendete. 1967 wurden die meisten Computerkunstwerke mit mechanischen Computerplottern hergestellt, und zwar mit Hilfe eines Leuchtstifts auf CRT-Bildschirmen oder aber unter Verwendung von eingescannten Fotos. Mathematische Gleichungen, die Kurven, Linien oder Punkte erzeugten, und Techniken, die Zufallsverteilungen ergaben, spielten bei diesen Bildern aus der Anfangszeit der Computerkunst eine wichtige Rolle. Diesen Kunstwerken, die mit Hilfe dieser Techniken entstanden, war auf den ersten Blick deutlich anzumerken, dass sie entweder mit mechanischen Hilfsmitteln oder mit einem Programm erzeugt worden waren. Sie machten erst gar nicht den Eindruck, als seien sie per Hand entstanden. Damals – und das gilt auch sogar noch heute – tragen die meisten Kunstwerke, die mit einem Computer erschaffen wurden, die unverkennbare Handschrift des Computers. Die Möglichkeit, dass man mit einem Computer Gedichte und Kunstwerke erschaffen kann, fand erstmals 1949 Erwähnung. Anfang der 1950er Jahre war diese Vorstellung ein Gesprächsthema an Universitäten und Forschungsinstituten. Als dann die ersten computergenerierten Grafiken erschienen, waren es die Wissenschaftler, die Ingenieure und die Architekten, die sich als Künstler betätigt hatten. Computer-Grafiken wurden erstmals 1965 in Deutschland und den USA im Rahmen einer Ausstellung präsentiert. 1965 war zudem das Jahr, in dem die ersten Vorbereitungen für eine Ausstellung getroffen wurden, die später den Titel »Cybernetic Serendipity« erhalten sollte und die 1968 im ICA in London zu sehen war. Sie stellte die erste Ausstellung dar, die alle Aspekte der computerunterstützten kreativen Arbeit auf unterschiedlichen Gebieten der Kultur zu präsentieren versuchte: Kunst, Musik, Lyrik, Tanz, Skulptur und Animation. Das vorrangige Ziel bestand darin, die Rolle der Kybernetik in der modernen Kunst zu untersuchen. Die Ausstellung umfasste Roboter, Lyrik-, Musik- und Zeichen-Maschinen sowie unterschiedliche Arten von Kunstwerken, bei denen der Zufall eine entscheidende Rolle spielte. Somit war eine intellektuelle Herausforderung im Sommer 1968 zu einer spektakulären Ausstellung geworden. Jasia Reichardt London 2005