Hinweis: Wenn Sie diesen Text sehen, benutzen Sie einen Browser, der nicht die gängigen Web-Standards unterstützt. Deshalb wird das Design von Medien Kunst Netz nicht korrekt dargestellt. Die Inhalte selbst sind dennoch abrufbar. Für größtmöglichen Komfort und volle Funktionalität verwenden Sie bitte die empfohlenen Browser.

Themenicon: navigation pathMedienkunst im Überblickicon: navigation pathPerformance
 
Un chien andalou (Der andalusische Hund) (Buñuel, Luis/Dali, Salvador), 1928
 
 
 

icon: previous page

Retinaler Schock

Eine ganze Hollywood-Tradition beruht auf der symbolischen Kinoerfahrung zuzuschauen, wie Körper verletzt werden, physische wie psychische Gewalt angewandt wird, schockierende Szenen auf das Innere der Zuschauer zielen und sie nicht nur retinal, sondern auch emotional treffen. Es gibt wohl kaum eine größere Schrecksekunde im Kino als die scheinbar reale Verletzung eines Auges durch den Schnitt mit einer Rasierklinge in Luis Buñuels surrealistischem Film »Un chien andalou« (1928). Die bis heute ungebrochene Schockwirkung dieses Moments beruht auf der Radikalität, mit der dem Organ des Sehens ›zu Leibe‹ gerückt wird. Das Sehen selber wird von Buñuel als ein gefährdeter Akt dargestellt. Der symbolische wie auch reale Kampf gegen Tabuisierungen stößt hier erstmals – zumindest in der Geschichte der Visionen – an eine Grenze. Grenzerfahrungen sind also Kinopraxis. Und doch, wie beruhigend, wenn der Schock nachlässt und es bloß wieder ›nur‹ Kino war. Wie schön, wenn das »Theater der Grausamkeit« (Antonin Artaud) nur die Theaterschauspieler real involviert. Wieder einmal sind wir gerettet. Wieder einmal wird das spielerisch

 

zerstörte Objekt der Begierde unverletzt und wiederhergestellt im Fernsehen, der Zeitschrift, dem nächsten Kinofilm zu sehen sein. Aber was, wenn es diese Grenze zwischen Kunst und Leben nicht mehr gibt? Wie ist ein Begriff von Kunst vorstellbar, der die reale Lebenszeit so radikal in das Korsett eines künstlerischen Performance-Konzepts zwängt, dass wir dies in seiner Dauer und unerbittlichen Konsequenz nicht mehr vorstellen können? Noch heute im scheinbar tabulosen medialen Zeitalter fungiert die symbolische oder reale Verletzung der Unversehrtheit des Körpers als ein zentrales Movens der Aktions- und Performance-Kunst.

Privat / öffentlich

Grenzerfahrungen von Produzenten wie Rezipienten wurden in den 1960er und 1970er Jahren sehr grundsätzlich angegangen. Und doch handelt es sich um Erfahrungen, die zwar historisch ihren besonderen Stellenwert besitzen, wie später ausgeführt werden wird, die aber deswegen nichts von ihrer Sprengkraft für heutige Augen, Ohren und Sinne eingebüßt haben. Der Akt einer Grenzüberschreitung muss aus heutiger

icon: next page