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Kommunikationsprojekt im öffentlichen Raum
 

 ubermorgen.com
»[V]ote-auction«

Das auf einer Idee von James Baumgartner basierende und von ubermorgen weiterentwickelte Projekt »[V]ote-auction« (2000) basierte auf dieser Marketing- und Kommunikations-Strategie. Unter dem eingängigen Slogan »Bringing capitalism and democrazy closer together!« wurde US-amerikanischen Wählern pünktlich zur Präsidentschaftswahl 2000 (G.W.Bush vs. Gore) die Möglichkeit angeboten, ihre Stimme im Internet über eine online-Auktions-Plattform meistbietend zu versteigern. Die angebotenen Stimmen eines ganzen US-Bundesstaates sollten dann an den Meistbietenden verkauft und der entsprechende Anteil am Erlös den Stimmenverkäufern ausbezahlt werden. In beneidenswerter Klarheit wurde so die Verschränkung von Kapital und (Stimm-)Macht demonstriert. Während individueller Stimmenverkauf in allen US-Bundesstaaten und auf Bundesebene zwar streng verboten ist, wird dieses Verbot nämlich durch massive (legale) Wahlkampfspenden großer Wirtschaftsunternehmen permanent unterlaufen.
Die Resonanz in den Massenmedien war überwältigend. In den drei Monaten vor der Wahl gab ubermorgen am Tag bis zu fünf Radio- und TV-Interviews und bis zu 20 Interviews per e-mail und Telefon. Verschiedene US-amerikanische Staatsanwälte kündigten insgesamt 13 Gerichtsverfahren gegen Ubermorgen.com an. In vier US-Bundesstaaten wurden wirkliche Verfahren eingeleitet (Missouri, Chicago, Massachusetts und Wisconsin) und einstweilige Verfügungen ausgesprochen.
Aufgrund eines Richterspruchs in Illinois wurde die Domain der Website zweimal gesperrt, konnte aber unter leicht verändertem Namen jeweils wieder - rechtzeitig für die Wahlen selbst - online gehen. [...]
Insgesamt sollen bis zu 450 Millionen Medienkonsumenten von der Aktion erfahren haben. Da den Vertretern von »[V]ote-Auction« jedoch letztendlich keine illegalen Aktivitäten nachgewiesen werden konnten, wurden die Gerichtsverfahren in allen Bundesstaaten (außer in Illinois) eingestellt.
Ubermorgen stellt alle in diesen Verfahren generierten Originaldokumente (Klagen, Gerichtsurteile, etc.) in Ausstellungen aus und nennt diese ›foriginals‹ (eine Kombination aus ›forged‹/gefälscht und ›original‹). Die so realisierte permanente Verquickung von Fakt und Fiktion verweist auf einen extrem erweiterten Materialbegriff, der für ubermorgen auch (internationales) Recht, Demokratie und globale Kommunikation (Input-Feedback-Loops) umfasst.


(Quelle: Inke Arns, »Soziale Technologien«, in: Die offene Stadt - Anwendungsmodelle. Jahresprogramm der Kokerei Zollverein, Essen 2003.)