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Ulrike Rosenbach »Zehntausend Jahre habe ich geschlafen (Exzerpt)«
 


 Ulrike Rosenbach
»Zehntausend Jahre habe ich geschlafen«

Auf dem Marmorfußboden des Ballsaales in der Aachener Neuen Galerie ist ein großer Kreis aus Salz ausgebreitet, etwa sechs Meter im Durchmesser. Im Zentrum des Salzkreises ist eine kleinere Kreisfläche aus frischem grünem Moos zu sehen. Auf der weichen Moosunterlage liege ich, weiß gekleidet, eingespannt in einen langen Bambusbogen von riesigem Ausmaß. Mein Körper ist zusammengekrümmt von der Spannung der Bogensehne, wie ein Pfeil, der gleich abgeschossen wird. Um dieses Ensemble auf dem Fußboden läuft auf einer schmalen Metallschiene eine Videokamera, das Objektiv beobachtend in die Mitte gerichtet, wie ein Kontrollauge. Die Videoaufnahmen werden von einem kleinen Aufzeichnungsgerät gespeichert, das mit auf einem Gestell fährt, ständig, drei Stunden lang, mich umkreisend wie ein Satellit.
Es ist eine ruhige Aktion, ohne Bewegung, bis zum Schluß. Nach drei Stunden erhebe ich mich schwerfällig aus der kauernden Haltung. Ich nehme einen Stab und schließe den Stromkreis, der das Videogerät in Gang hielt, kurz. Dann gehe ich mit langsamen Schritten um den Kreis und schreibe einen Satz in das Salz:
10 000 Jahre habe ich geschlafen und nun bin ich erwacht.

 

Ulrike Rosenbach