Hinweis: Wenn Sie diesen Text sehen, benutzen Sie einen Browser, der nicht die gängigen Web-Standards unterstützt. Deshalb wird das Design von Medien Kunst Netz nicht korrekt dargestellt. Die Inhalte selbst sind dennoch abrufbar. Für größtmöglichen Komfort und volle Funktionalität verwenden Sie bitte die empfohlenen Browser.
Nam June Paik »Wrap around the World«
Nam June Paik, »Wrap around the World«, 1988
© Nam June Paik
Paiks kurze Performance im traditionellen koreanischen Kostüm, in der er sich das Vorbild seiner Videoinstallation – einen cremigen Geburtstagskuchen – ins Gesicht drückt.
 


 Nam June Paik
»Wrap around the World«

Eine Woche vor der Eröffnung der olympischen Spiele in Seoul wird der olympische Gedanke internationaler Verständingung schon per Fernsehen vorweggenommen. Über 10 Länder weltweit beteiligen sich an der Sendung, die nach Schätzungen 50 Millionen Zuschauer hat. Im Unterschied zu »Good Morning Mr. Orwell« vier Jahre zuvor, stammen nun die Beiträge weitgehend von den jeweiligen Sendern, nur das globale Konzept und einige Beiträge gehen auf Paik zurück. Dadurch wird das transkontinentale Hin- und Herschalten zwar nicht mehr so direkt erlebbar, aber die einzelnen Beiträge haben eine Chance, ihren Sinn zu entfalten – wenn sie einen haben. Die Tendenz geht klar zum Entertainment, so steuert die Volksrepublik China Kung Fu und neue Popmusik bei, Rio de Janeiro Salsa-Rhythmen und Tänzer, Leningrad Rockmusik Irland ein Autorennen im Regen, Hamburg ein Konzert für Brahms auf einem Parkplatz, wo dessen Geburtshaus stand, Bonn die Punkband »Die Toten Hosen« vor Beethovens Geburtshaus usw. In einem zentralen Studio in New York verbindet ein Slapstick-Moderator die Beiträge, indem er einem außerirdischen Imperator, der droht die Erde zu zerstören, mit der Sendung einen Überblick der Schönheiten dieser Welt gibt und ihn so schließlich gnädiger stimmt.
Die Mischung von Stars der Pop- und der Kunstwelt umfaßt David Bowie sowie Ryuichi Sakamoto und Merce Cunningham, die mit dem »Transpacific Duet« zwischen Tokio und New York einen der künstlerischen Höhepunkte liefern, bei dem sich die Konfrontation der Kulturen und die videografische Bearbeitung zu einem einzigartigen TV-Live-Ereignis verbinden.

Aus Anlaß der Olympiade hat man sich in Korea wieder mit dem verlorenen Sohn Paik arrangiert – und umgekehrt besinnt sich auch Paik seiner Wurzeln, nachdem er zuvor 20 Jahre lang fast jeden Kontakt mit seiner Heimat abgebrochen hatte. Im Museum Moderner Kunst in Seoul hat Paik die aus 1003 Monitoren bestehende Installation »The more the better« in Form eines riesigen Geburtstagskuchens installiert, die sowohl selbstironisch zu verstehen ist, als auch skeptisch in bezug auf den koreanischen Willen zur Weltindustrienation aufzusteigen, der sich genau mit solchen Symbolen manifestiert. Nicht zufällig tauchen in der Sendung mehrfach die Geburtsorte bekannter Komponisten auf (Brahms, Beethoven), auch Paik begann seine Laufbahn als Komponist in Seoul. Sein einziger persönlicher Auftritt in der Sendung erfolgt überraschenderweise im traditionellen koreanischen Kostüm. Während er sich in guter alter Fluxus-Manier das Vorbild seiner Videoinstallation ins Gesicht drückt – einen cremigen Geburtstagskuchen – sind seine einzigen, ständig wiederholten Worte: »Continue music«. Auch wenn sie dem Begleitrhythmus der koreanischen Trommler gelten, die in Seoul seine Installation umringen – ein besseres Motto für »Wrap around the world« ließe sich kaum finden.