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Die angestrebte Archivierung von für wichtig befundenen (architektonischen) Kunstschätzen steigert sich bei einem Zeitgenossen des späten 19. Jahrhunderts schließlich zu einem »megalomane[n] Traum«. [9] Albrecht Meydenbauer, Leiter der Preussischen Königlichen Messbildanstalt, versuchte ab 1881 ein gigantisches Denkmälerarchiv zu errichten. Es sollte Fotografien versammeln, auf deren Basis photogrammetrisch – das heißt durch Ausnutzung der mathematischen Gesetze der Zentralperspektive – auch »nach 100 Jahren ein Bauwerk in Grund- und Aufriss mit allen Einzelheiten […] nachgebaut werden [könnte], nachdem es selbst vom Erdboden verschwunden ist«. [10] Dieser Triumph der fotografisch archivierten Form über die hinfällige Materie fand noch vor Meydenbauer seine programmatische Formulierung in einem bis heute vielzitierten Text von Sir Oliver Wendell Holmes: »The Stereoscope and the Stereograph« von 1859. Dort heißt es: »Die Form ist in Zukunft von der Materie getrennt. In der Tat ist die Materie in sichtbaren Gegenständen nicht mehr von großem Nutzen, ausgenommen sie dient als Vorlage, nach [der] die Form gebildet wird. Man gebe uns ein paar Negative eines

 

Gegenstandes, aus verschiedenen Perspektiven aufgenommen – mehr brauchen wir nicht. Man reiße dann das Objekt ab oder zünde es an, wenn man will.« [11] In der Tat: Zwischen 1858 und 1878 dokumentierte Charles Marville die durch Haussmann angestoßene, völlige Umgestaltung von Paris, das heißt des Abrisses großer Teile des alten Paris. In dieser Dokumentation diente die Fotografie als Mittel der Konservierung des Verschwindenden (eine zeitgenössische künstlerische Praxis, die hierzu Bezüge aufweist, ist die Arbeit von Bernd und Hilla Becher). Bei Holmes können die fotografisch (genauer stereo-fotografisch [12] ) abgelösten Formen scheinbar das Objekt selbst ersetzen: »Die Zeit wird kommen, da ein Mann, der irgendein natürliches oder künstliches Objekt sehen will, zur Reichs-, National- oder Stadtbücherei für stereoskopische Bilder geht und seine ›Haut‹ oder Form verlangt, wie er in einer Bibliothek nach einem bestimmten Buch fragt.« [13] Folglich spricht aus Holmes’ Begeisterung für die Form, die sogar das materielle Original verzichtbar macht, dann doch ein implizites Vertrauen in die Materie. Denn er unterstellt offenbar, dass die ›Banknoten‹ der

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